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Physiologische Function der Centraltheile.
immer nur je eines zugleich automatisches Centrum oder steht wenigstens
unter der vorwiegenden Wirkung der inneren Reize: so bei den Athem-
bewegungen das Centrum der Inspiration, bei den Herzbewegungen das
Centrum der Hemmung des Herzschlags, bei der Gefäßinnervation das
Centrum der Gefäßverengerung. Vielleicht ist es die Lage der betreffen¬
den Nervenkerne und die Art der Blutvertheilung in denselben, wodurch
sie den automatischen Erregungen vorzugsweise zugänglich werden. Der
normale physiologische Reiz aber, der, wie es scheint, die Erregung her¬
beiführt, ist jene Beschaffenheit des Blutes, welche sich beim Stillstand
der Athmung oder überall da ausbildet, wo die Entfernung der oxydirten
Blutbestandtheile gehindert ist. Im allgemeinen also scheinen Oxydations-
producte, theils das letzte Verbrennungsproduct, die Kohlensäure, theils
niedrigere noch unbekannte Oxydationsstufen, in dem dyspnoischen Blut
als Nervenreize zu wirken1). Die Anhäufung dieser Stoffe erregt das in-
spiratorische Centrum: es entsteht eine Einathmung, welche nun wieder
in Folge der Aufblähung der Lunge das Exspirationscentrum reflectorisch
erregt (S. 186). So schließt in jener automatischen Reizung der Kreis
der Selbstregulirungen sich ab, durch welche der Athmungsprocess fort¬
während im Gange erhalten wird. Den ersten Anstoß gibt die Blutver¬
änderung: sie erregt als innerer Reiz die Einathmung. Damit ist aber
auch der weitere periodische Verlauf von selbst gegeben. Dem durch
die Ausdehnung der Lunge erregten Exspirationsprocess folgt beim Zu¬
sammensinken des Organs Inspirationsreflex und gleichzeitig in Folge der
erneuten Ansammlung von Oxydationsproducten abermalige automatische
Reizung des Centrums der Inspiration.
Der automatischen Innervation des Hemmungscentrums für das Herz
und des pressorischen Centrums für die Blutgefäße liegen, wie es scheint,
die nämlichen Blutveränderungen zu Grunde. Man nimmt gewöhnlich an,
dass es sich in beiden Fällen um Erregungen handelt, die nicht, wie bei
der Athmung, in Folge der Selbstregulirung der Reizung rhythmisch auf-
und abwogen, sondern um solche, die dauernd in gleichmäßiger Größe
anhalten. Man folgert dies daraus, dass Trennung der Hemmungsnerven
des Herzens, der Vagusstämme, den Herzschlag dauernd beschleunigt, und
dass Trennung der Gefäßnerven eine bleibende Erweiterung der kleinen
Arterien herbeiführt. Aber diese Thatsachen schließen nicht aus, dass
nicht die automatische Erregung in beiden Fällen zwischen gewissen Gren¬
zen auf- und abschwanke, ln der That sprechen hierfür mehrere Er¬
scheinungen, wie die abwechselnden Verengerungen und Erweiterungen,
die man zuweilen an den Arterien beobachtet, und die meist nach Durch-
1) Vgl. mein Lehrbuch der Physiol. 4. Aufl. S. 412.