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Physiologische Function der Centraltheile.
gungen, einen gewissen Grad von Bewusstsein voranssetzen lassen. Aber
in dieser Form ist die Frage offenbar falsch gestellt. Dass die Einrich¬
tungen des Centralorgans, ähnlich denjenigen einer mit umfassenden Selbst¬
regulirungen versehenen Maschine, zweckmäßige Erfolge mit mechanischer
Nothwendigkeit herbeiführen, daran kann, namentlich angesichts der in
hohem Grade zweckmäßigen und dennoch auf bestimmten mechanischen
Bedingungen beruhenden Beschaffenheit der Oblongatareflexe, nicht wohl
gezweifelt werden. Es fragt sich nur, ob diese Erfolge gleichzeitig
eine psychische Seite besitzen, also in der Form von Vorstellungem dem
Bewusstsein gegeben sind. Da wir uns hier nur mit den körperlichen
Grundlagen des Seelenlebens zu beschäftigen haben, so werden wir auf
diese psychologische Frage erst an einer späteren Stelle eingehen können1).
2. Auto m a ti s ch e F11 n c t i on e n.
Mehrere unter den motorischen Gebieten, welche aus Anlass eines
Reflexes in Function treten können, empfangen gleichzeitig Impulse, die
unmittelbar von ihren Centralpunkten ausgehen. Alle solche Erregungen,
welche den Nervencentren nicht von außen mitgetheilt sind, sondern in
ihnen selbst entspringen, pflegt man automatische Erregungen zu
nennen. JNicht nur Muskelbewegungen, sondern auch Empfindungen und
Hemmungen bestimmter Bewegungen können auf diese Weise entstehen.
Nicht immer aber ist es leicht die automatische Reizung von solchen Er¬
regungen zu unterscheiden, die aus äußeren Reizen hervorgehen oder
wenigstens dem erregten Centrum von außen, z. B. von irgend einem
andern Punkt des Centralorgans, mitgetheilt sind. Auf alle unsere Sinne
wirken fortwährend schwache Reize ein, welche zum Theil in den Struc-
turVerhältnissen der Sinnesorgane selbst ihren Grund haben. Diese schwa¬
chen Erregungen, wie sie z. B. durch den Druck bewirkt werden, unter
dem die Netzhaut im Auge, die schallpercipirenden Membranen im Gehör¬
labyrinth stehen, sind natürlich für die empfindenden Nervencentren durch¬
aus den äußeren Erregungen äquivalent. Sondern wir nun derartige
Fälle ab, so scheint bei allen automatischen Erregungen die nämliche oder
doch eine ähnliche Form innerer Reizung zu bestehen, indem überall
bestimmte Zustände oder Veränderungen des Blutes denselben zu
Grunde liegen.
Unter dem Einfluss automatischer Erregungen von Seiten des Rücken¬
marks scheinen vor allem die Muskeln gewisser Organe des Ernährungs-
apparates zu stehen: so die Ringmuskeln der Blutgefäße, deren Lumen
F Vgl. im vierten Abschnitt die Untersuchung über das Bewusstsein.