Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Aufgabe der physiologischen Psychologie . 
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feste causale Beziehungen bringen lassen. Als ein Hülfsmittel, solche Maßein¬ 
heilen und Beziehungen zu finden, erweist sich aber gerade die willkürliche 
experimentelle Beeinflussung des Bewusstseins durch äußere Einwirkungen. 
Diese Beeinflussung gewährt den Vortheil, dass sie es möglich macht, die psychi¬ 
schen Vorgänge willkürlich bestimmten Bedingungen zu unterwerfen, die sich 
entweder constant erhalten oder in genau zu beherrschender Weise variiren 
lassen. Wenn man daher gegen die experimentelle Psychologie eingewandt hat, 
dieselbe wolle die Selbstbeobachtung verdrängen, ohne welche doch keine 
Psychologie möglich sei, so beruht dieser Vorwurf auf einem Irrthum. Die 
experimentelle Methode will nur jene vermeintliche Selbstbeobachtung be¬ 
seitigen, welche unmittelbar und ohne weitere Hülfsmittel zu einer exacten 
Feststellung psychischer Thatsachen glaubt gelangen zu können und dabei un¬ 
vermeidlich den größten Selbsttäuschungen unterworfen ist. Im Unterschiede 
von einer solchen bloß auf ungenaue innere Wahrnehmungen sich stützenden 
subjectiven Methode will vielmehr das experimentelle Verfahren eine wirkliche 
Selbstbeobacht u n g ermöglichen, indem sie das Bewusstsein unter genau 
control Urbare subject ive Bedingungen bringt . Uebrigens muss auch hier schlie߬ 
lich der Erfolg über den Werth der Methode entscheiden. Dass die subjective 
Methode keinen Erfolg aufzuweisen hat, ist gewiss, denn es gibt kaum eine 
thatsächliche Frage, über die nicht die Meinungen ihrer Vertreter weit ausein¬ 
andergehen. Ob und inwieweit sich die experimentelle Methode besserer Be- 
sultate erfreut, wird der Leser am Schlüsse dieses Werkes beurtheilen können, 
wobei aber zugleich billiger Weise in Betracht gezogen werden muss, dass ihre 
Anwendung in der Psychologie erst wenige Jahrzehnte alt ist. *) 
Wir haben in der obigen Aufzählung der psychologischen Disciplinen mit 
Vorbedacht der sogenannten rationalen Psychologie keine Stelle angewiesen. 
Der Name derselben, der von Christian Wolff in die Wissenschaft eingeführt 
wurde, soll eine unabhängig von der Erfahrung, rein aus metaphysischen Be¬ 
griffen zu gewinnende Erkenntniss des seelischen Lebens bezeichnen. Der Er¬ 
folg hat gezeigt, dass eine solche metaphysische Behandlung der Psychologie 
nur durch fortwährende Erschleichungen aus der Erfahrung ihr Dasein zu fristen 
vermag. Wolff selbst sah sich schon veranlasst, seiner rationalen eine em¬ 
pirische Psychologie an die Seite zu stellen, wobei freilich die erste ungefähr 
ebenso viel Erfahrung enthält wie die zweite, und diese ebenso viel Metaphysik 
wie die erste. Die ganze Unterscheidung beruht auf einer völligen Verken¬ 
nung der wissenschaftlichen Stellung der Psychologie nicht nur, sondern auch 
der Philosophie. In Wahrheit ist die Psychologie ebenso gut eine Erfah¬ 
rungswissenschaft wie die Physik oder Chemie; die Aufgabe der Philosophie 
aber kann es niemals sein, an die Stelle der Einzelwissenschaften zu treten, 
sondern sie hat überall selbst erst die gesicherten Ergebnisse der letzteren zu 
ihrer Grundlage zu nehmen. So verhalten sich denn auch die Bearbeitungen 
der rationalen Psychologie zu dem wirklichen Fortschritt unserer Wissenschaft 
4) Uebei* die methodische Frage überhaupt vergl. meine Logik, II S. 482 ff., und 
den Aufsatz über die Aufgaben der experimentellen Psychologie in meinen Essays, 
Leipzig 4 885. S. 4 27 ff. Ueber das Verhältniss der exper. Psychologie zur Völker¬ 
psychologie den Aufsatz über Ziele und Wege der Völkerpsychologie, Philos. Stud. 
IV, S. 4 ff. Näheres über die Principien der psychischen Messung folgt unten in 
Cap. VIII.
	        
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