Aufgabe der physiologischen Psychologie.
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lasst daher unsere Wissenschaft als experimentelle Psychologie von
der gewöhnlichen, bloß auf Selbstbeobachtung gegründeten Seelenlehre
sich unterscheiden.
Es gibt zwei Haupterscheinungen, welche jene Grenzscheide, wo die
äußere nicht mehr ohne die innere Beobachtung ausreicht, und wo diese
auf die Hülfe jener sich angewiesen sieht, deutlich bezeichnen: die Em¬
pfindung, eine psychologische Thatsache, welche unmittelbar von ge¬
wissen äußeren Grundbedingungen abhängt, und die Bewegung aus
innerem Antrieb, ein physiologischer Vorgang, dessen Ursachen sich im
allgemeinen nur in
der Selbstbeobachtung
zu
erkennen geben. In der
Empfindung schauen wir die Scheidewand zwischen beiden Gebieten gleich¬
sam von innen, von der psychologischen Seite, in der Bewegung von außen,
von der physiologischen Seite an.
Die Empfindung ist nach Intensität und Qualität zunächst durch
ihre äußeren Ursachen, die physiologischen Sinnesreize, bestimmt. Ihre
weiteren Umgestaltungen erfährt sie aber unter dem Einfluss der in der
inneren Beobachtung gegebenen Vorbedingungen. Diese sind es, durch
welche aus Empfindungen Vorstellungen der Außendinge entstehen, durch
welche sich die Vorstellungen zu Reihen und Gruppen ordnen, um dem
Bewusstsein kürzere oder längere Zeit verfügbar zu bleiben, und durch
welche Gemüthsbewegungen mannigfacher Art mit den Vorstellungen und
ihrem Verlauf sich verbinden. Dennoch machen sich auch hier äußere
Einflüsse fortwährend geltend : der Wechsel und die Verbindung der Vor¬
stellungen werden zum Theil bedingt durch den Wechsel und die Ver¬
bindung der Eindrücke, der Aufbau zusammengesetzter Vorstellungen aus
einfachen ist gebunden an die physiologischen Eigenschaften unserer Sinnes¬
und Bewegungswerkzeuge, und endlich ist sogar der innerliche Verlauf
der Gedanken begleitet von bestimmten Zuständen und Vorgängen in den
Centralorganen des Nervensystems. So erstrecken sich von der psycho¬
physischen Peripherie her Ausläufer bis tief in die Mitte des Seelenlebens.
Auf der andern Seite reflectircn sich die inneren Vorgänge in äußeren
Bewegungen. Durch die letzteren kehrt der Kreis der Processe, welche
zwischen äußerem und innerem Sein hin- und herschweben, wieder zu
seinem Ausgangspunkte zurück. Bei den einfachsten dieser Bewegungen
fehlt das psychologische Zwischenglied, oder entgeht wenigstens unserer
Selbstbeobachtung: die Bewegung erscheint hier als unmittelbarer Reflex
des Reizes. In dem Maße aber als psychologische Vorgänge zwischen den
Eindruck und die von ihm ausgelöste Bewegung treten, wird die letztere
nach räumlicher Ausbreitung und zeitlichem Geschehen unabhängiger von
jenem und bedarf nun mehr und mehr zu ihrer Erklärung derjenigen
Momente, welche die innere Beobachtung darbietet, bis endlich nur noch