Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Verlauf der nervösen Leitunesbahnen. 
Die Deutung aller dieser Ergebnisse ist übrigens zweifelhaft Ein 
Schluss ließe sich auf dieselben nur gründen, wenn entweder die Vor¬ 
aussetzung, von der man meistens ausging, dass es nur eine motorische 
und sensorische Bahn nach dem Gehirn gebe, richtig wäre, oder wenn 
man die Sicherheit gewinnen könnte, dass sich die Versuche nur auf 
eine der Leitungen, die für jede peripherische Körperprovinz existiren, 
beziehen. Auch letzteres ist aber durchaus nicht der Fall. Im Ges;entheil 
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ist es wahrscheinlich, dass bald diese bald jene Faserstränge vorzugsweise 
durch den operativen Eingriff getroffen wurden. 
Noch größer sind die Schwierigkeiten, welche sich einer physiologi¬ 
schen Ermittelung des näheren Verlaufs der einzelnen Bahnen entgegen¬ 
stellen. Partielle Durchschneidungen scheinen zu lehren, dass die senso¬ 
rischen Fasern im verlängerten Mark eine seitliche Lage annehmen1). 
Diese Lageänderung ist schon eine beträchtliche Strecke vor Eröffnung 
der Rautengrube bemerkbar, sie kann also nicht bloß in dem Auseinander¬ 
weichen der Markstränge an der Stelle der Rautengrube ihren Grund 
haben, sondern sie weist darauf hin, dass die hinteren Stränge des ver¬ 
längerten Marks nicht unmittelbare Fortsetzungen der Hinterstränge des 
Rückenmarks sind. In der That wird dies durch die anatomische Unter¬ 
suchung vollständig bestätigt, indem dieselbe zeigt, dass die strickför¬ 
migen Körper aus grauen Massen der medulla oblongata erst ihren Ur¬ 
sprung nehmen, während die Hinterstränge theils aufhören, indem sie in 
andern grauen Massen ihr Ende finden, theils aber aus ihrer früheren 
Stelle zur Seite und in die Tiefe verdrängt werden. Ein ähnliches Re¬ 
sultat ergibt die Aufsuchung der motorischen Leitungsbahnen. Diese 
scheinen nur zum Theil in den Pyramiden, welche die Stelle der früheren 
Vorderstränge einnehmen, enthalten zu sein, da die Durchschneidung der 
zur Seite der Pyramiden die Olivenkerne einhüllenden Stränge, der Hül¬ 
senstränge, ebenfalls partielle Lähmungen nach sich zieht'2). Auch hier 
zeigt die Anatomie den Grund dieses Verhaltens darin, dass die Fort¬ 
setzungen des größten Theils der Vorderstränge durch die Pyramiden 
und durch die Oliven theils zur Seite theils in die Tiefe gedrängt werden. 
Das Verhalten der Leitungswege im verlängerten Mark ist demnach we¬ 
sentlich an das Auftreten dieser beiden Gebilde geknüpft, deren Bedeutung 
wir daher vor allem erörtern müssen. 
Die Pyramiden (p Fig. 28 S. 58 und Fig. 57 S. 121) bilden ein Faser¬ 
system, welches eine Kreuzung in der Mittellinie des verlängerten Marks 
erfährt und, wie schon die makroskopische Zergliederung nachweist, nach 
1) Schiff a. a. O. S. 3(M. 
2) Schiff ebend. S. 310.
	        
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