Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Verlauf der nervösen Leitungsbahnen. 
Gehirn sich abzweigt, die Kleinhirn-Seitenstrangbahn (Fig. 54). 
Die Hinterstränge, welche, wie bemerkt, ausschließlich sensorische 
Bahnen führen und daher nach abwärts den Hauptantheil der nach Durch¬ 
setzung der grauen Masse der Hinterhörner in die hinteren Wurzeln 
eintretenden Fasern bilden, sondern sich erst im Halsmark in zwei 
Strangmassen, in die dicht der Medianspalte anliegenden zarten oder 
GoLL’schen Stränge [Fun. grac.) und die nach außen von ihnen gelegenen 
keilförmigen Stränge [Fun. cun., Fig. 54dl).1) 
Zwischen diesen anatomischen Resultaten und der physiologischen 
Beobachtung besteht nur insofern ein scheinbarer Widerspruch , als nach 
den ersteren ein Theil der motorischen Bahnen der Vorderstrânçe eine 
Kreuzung erfährt, während die letztere lehrt, dass sich namentlich beim 
Menschen diejenigen Bahnen, in welchen die motorischen Impulse 
geleitet werden, innerhalb des Rückenmarks nicht kreuzen. Dieser Wi¬ 
derspruch lässt sich aber möglicher Weise durch die Annahme lösen, dass 
es motorische Bahnen im Rückenmark gebe, welche nicht der Leitung 
der Willensimpulse bestimmt seien, sondern welche die Leitung von Re¬ 
flexbewegungen vermitteln, deren sensorische Centralpunkte sich in den 
höheren Centralorganen befinden. Die angegebenen Verhältnisse lassen 
also vermuthen, dass die centrifugale Leitung solcher Reflexe auf Wegen 
geschieht, die mit denen der Willenserregung nicht zusammenfallen, und 
insbesondere würde hiernach die äußere Hälfte des Vorderstrangs als 
eine derartige Bahn aufzufassen sein, während die inneren Partien der 
nämlichen Stränge und der hintere motorische Theil der Seitenstränge, 
d. h. die beiden Antheile der Pyramidenbahn, wahrscheinlich zur Leitung 
der Willenserregungen bestimmt sind. WTie auf diese Weise die motori¬ 
sche Bahn in mehrere Zweige von gesondertem Verlauf und vielleicht von 
verschiedener functioneller Bedeutung sich trennt, so ist dies sichtlich auch 
mit der sensorischen der Fall: hier sondert sich von dem oben schon er¬ 
wähnten Faserbündel, welches direct in die unteren Kleinhirnstiele über¬ 
geht, ein zweites, das, theils aus den Clark’sch en Säulen (Fig. 26 S. 54), 
theils aus der hinteren Commissur hervorkommend, zu den GoLL’schen 
Strängen sich sammelt, um im verlängerten Mark in den Kernen der zar¬ 
ten Stränge (Fig. 27 und f g Fig. 29 S. 57 u. 59) zu endigen; dazu kommt 
endlich noch ein dritter Faserzug, welcher überwiegend die Fortsetzungen 
der hinteren Wurzelfasern enthält und in die Kerne der keilförmigen Stränge 
(ebend. f c) sich einsenkt, um, wie wir unten sehen werden, von da aus 
durch das zonale Fasersystem mit den Oliven in Verbindung zu treten2). 
Welche functionelle Bedeutung diese Sonderung hat, darüber herrscht 
1) Flechsig, Ueber Systemerkrankungen im Rückenmark, S. 30 ff. 
2) Flechsig, Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark, S. 309 ff.
	        
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