Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Methoden zur Erforschung der Leitungsbahnen. 
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Die Lücken, die das physiologische Experiment lässt, ergänzt die 
anatomische Untersuchung insofern, als sie gerade auf jene Ermit¬ 
telung der Verbindungswege zwischen functioneil zusammengehörigen Ge¬ 
bieten hauptsächlich ausgeht, welche der physiologische Versuch zum 
größten Theile unerledigt lässt. Zwei Wege hat zu diesem Zweck die 
Anatomie successiv eingeschlagen: die makroskopische Zerfaserung des 
gehärteten Organs und die mikroskopische Zerlegung desselben in eine 
Reihe dünner Schnitte. Wenn die erste dieser Methoden wegen der Ge¬ 
fahr, die sie in sich schließt, Kunstproducte des zerlegenden Messers für 
wirkliche Faserzüge anzusehen, in neuerer Zeit in Verruf gekommen ist, 
so übersieht man einerseits, dass sie vorsichtig angewandt ein immerhin 
schätzbares Htilfsmittel zur Orientirung über gewisse breitere Verlaufs¬ 
wege abgibt, und man ist andrerseits geneigt die Gefahr zu unterschätzen, 
welche die Interpretation der mikroskopischen Bilder mit sich führt. Diese 
aber hat einen um so größeren Spielraum, je weniger das ideale Ziel der 
mikroskopischen Durchforschung des Centralorgans, seine vollständige Zer¬ 
legung in eine unendliche Zahl von Schnitten genau bestimmter Richtung, 
thatsächlich erreichbar ist. Eine höchst bedeutsame Ergänzung findet da¬ 
her die anatomische wieder an der entwicklun gs geschichtlichen 
Untersuchung. Indem diese feststellt, dass die Ausbildung gewisser phy¬ 
siologisch zusammengehöriger Fasersysteme des Centralorgans in verschie¬ 
denen Zeiträumen der fötalen Entwicklung erfolgt, macht sie es möglich, 
wenigstens einzelne der hauptsächlichsten Verlaufsbahnen nahezu voll¬ 
ständig zu verfolgen. Auch diese Methode findet freilich daran ihre Grenze, 
dass die gleichzeitig entwickelten Fasersysteme immer noch zahlreiche 
Gruppen einschließen können, welche eine verschiedene functionelle Be¬ 
deutung besitzen. 
Die pathologische Beobachtung, indem sie zu der Ermittelung 
der functioneilen Störungen diejenige der anatomischen Veränderungen 
hinzufügt, vereinigt in gewissem Grade die Vorzüge der physiologischen 
mit denjenigen der anatomischen Untersuchung. Für die Erforschung der 
Leitungswege aber ist die pathologisch-anatomische Beobachtung vor allem 
dadurch fruchtbar geworden, dass sie auf ein ähnliches Princip wie die 
entwicklungsgeschichtliche Untersuchung sich stützen kann, indem die zu 
bestimmten Functionsherden gehörenden Fasern in Folge der aufgehobenen 
Function der ersteren secundär erkranken, so dass, falls nicht sonstige 
Bedingungen eine zufällige Coexistenz der Erkrankung wahrscheinlich 
machen, diejenigen Fasern, die gleichzeitig pathologisch ver¬ 
ändert sind, als functionell zusammengehörige aufgefasst 
werden können. Von besonderem Vortheil verspricht die Beobachtung 
der secundären Degenerationen durch ihre Verbindung mit dem phy-
	        
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