350
J. v. Kbies und F. Aueebach:
Schwierigkeit, dass die Tastempfindung, welche die Berührung eines
bestimmten Gegenstandes hervorbringt, sich ändert, wenn wir willkür¬
lich die Haut stark spannen oder in Falten zusammenscMeben. In den
Besonderheiten dieser Art will also Lotze die Localzeichen finden.
Das, freilich nicht anzustellende, Experimentum crucis seiner Ansicht
wäre also folgendes: Man verpflanze einen Nerven, ohne seine Continuität
zu trennen, mit seinem peripherischen Stücke so, dass sein Ende in b,
statt ursprünglich in a liegt; dabei soll die Beschaffenheit der Haut in
b völlig unverändert bleiben. Dann muss nach Lotze eine in b applicirte
Tastempfindung sofort richtig nach b localisirt werden, eben weil es für
die Localisation nur auf die Art der Bedeckung des Endapparates an¬
kommt, welche in diesem Falle nicht beeinträchtigt worden ist. Die
dieser Meinung entgegengesetzte Auffassung würde dagegen zu behaupten
haben, dass das Localzeichen in einer dem nach a laufenden Nerven (an
sich oder durch seine centrale Verbindung) zugehörigen Eigenthümlich-
keit bestände. In dem erwähnten fingirten Experiment würde sie dem¬
nach erwarten, dass eine Beizung des verpflanzten Nerven zunächst1
nach seiner ursprünglichen Stelle a localisirt würde. Die die Local¬
zeichen bildenden Eigenthümlichkeiten haben also ihre Ursache nach
Lotze ausserhalb der nervösen Elemente, nach der entgegengesetzten
Meinung in denselben. Die Lotze’sche Ansicht führt daher zu dem
Satze: eine völlig gleiche Beizung zweier verschiedener Tastnerven würde
eine völlig identische Empfindung her vorrufen; dieselbe ist nur unter
gewöhnlichen Verhältnissen deshalb nicht herzustellen, weil die Ver¬
schiedenheit der Bedeckung stets gewisse Eigenthümlichkeiten in die
Beizungsweise einführt. Hier ist nun der Punkt, von dem aus wir der
Sache näher kommen. „Worin“, fragen wir, „können diese Eigenthüm¬
lichkeiten bestehen?“ Hier bieten sich zwei Antworten dar. Die erste
würde sich mit der Lehre von den specifischen Energien in Widerspruch
setzen und behaupten, eine verschiedene Art der Beizung bringe, aus
nicht weiter angebbaren Gründen, einen verschiedenen Erregungsvorgang
im Nerven und somit eine verschiedene Empfindung hervor. Die andere
aber würde an den specifischen Energien festhalten und demnach sagen,
dass die Beizung eines bestimmten Nerven durch Tastreize irgend wel¬
cher Art (abgesehen ist hier natürlich immer von Temperatur- und
Schmerzempfindungen) stets qualitativ gleiche Empfindungen hervorrufe.
Dieser Anschauung nach könnten also die Localzeichen in nichts An¬
derem bestehen, als in Eigenthümlichkeiten der Intensität und des zeit¬
lichen Verlaufs. Was Lotze betrifft, so hat er die Trennung dieser
1 Es könnte später durch Erfahrung geändert werden.