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J. v. Kbies und P. Auebbaoh:
Folgenden immer, nur das Erkennen, in welcher Richtung vom Hören¬
den aus -sich die Schallquelle befindet, nicht aber die Beurtheilung der
Entfernung. Wir müssen hierbei einige Worte über das Wesen dieses
Processes vorausschicken. Soviel ist klar, dass die Localisation eines
Schalls ein völlig anderer Vorgang ist, als die Localisation einer Ge¬
sichts- oder Tastempfindung. Bei diesen werden die Empfindungen ver¬
schiedener Orte in verschiedene Nervenfasern geleitet; es ist also für die
die Unterscheidung eine ganz andere Basis gegeben als beim Gehör. Je
nach dem Orte des Reizes ist der sich anschliesssende physiologische
Process, soweit wir ihn kennen, ein verschiedener. Woraus erkennen
wir denn nun aber die Richtung, aus der ein Schall uns trifft, oder
besser die Richtung, in welcher wir die Quelle eines uns treffenden
Schalles zu suchen haben? Der, wie wir glauben, ziemlich allgemein
angenommenen Ansicht zufolge aus der relativen Stärke der Schall¬
empfindung in beiden Ohren. Als Stütze dieser Anschauung wird die
pathologische Erfahrung angeführt, dass Menschen, die auf einem Ohre
taub sind, die Richtung des Schalls nicht mehr erkennen. Hauptsächlich
aber gründet sich jene Meinung wohl darauf, dass wir gar nicht im
Stande sind uns eine andere irgend plausible Erklärung des den Ohren
gegebenen Vermögens zu machen. In der That, die Schwingungen im
inneren Ohre geben nur die am äusseren Gehörgange (oder unter beson¬
deren Verhältnissen in den Kopfknochen) auftretenden Verdichtungen
und Verdünnungen wieder; aber jede Spur vom Ursprung des Schalles
ist in ihnen völlig ausgelöscht. In dem physiologischen Process vom
Corti’sehen Organ bis zum Gehirn kennen wir, gleiche Qualität und
Intensität des Sçhalls vorausgesetzt, nicht den mindesten Unterschied,
woher der Schall auch komme. Oder soll man an den Phasenunterschied
denken, mit dem der Schall das linke und das rechte Ohr trifft? Diese
schon an sich sehr unwahrscheinliche Hypothese würde bei genauerem
Eingehen, wozu hier nicht der Ort wäre, in sehr grosse Schwierigkeiten
verwickelt werden. Jedenfalls ist die Annahme, dass die relative Schall¬
stärke in beiden Ohren maassgebend sei, vorläufig entschieden die wahr¬
scheinlichste. Dass auch diese einer experimentellen Prüfung sehr be¬
dürftig ist, wollen wir nicht verkennen. Sie führt nämlich zu manchen
überraschenden Consequenzen, so. z. B. dass alle Punkte der Medianebene
unter einander nicht unterscheidbar wären, (sofern man über die Inten¬
sität des Schalls nicht vorher unterrichtet ist). Ueberhaupt müsste es
unendlich viele Flächen geben von der Eigenschaft, dass eine Schall¬
quelle in jedem ihrer Punkte mit gleichem Verhältniss der Intensitäten
auf beide Ohren einwirkte. — Um indessen bei dieser Abschweifung
nicht zu lange zu verweilen, wollen wir nur noch anticipiren, dass die