Volltext: Die Zeitdauer einfachster psychischer Vorgänge

Die Zeitdaube einfachster psychisches Vorgänge. 307 
sogar = 0, wenn das Intervall gross genug ist.1 Dies tritt, nun nicht 
ein, wenn das Intervall einfach durch die ungefähre Schätzung des 
Beobachtenden bestimmt wird. In Bezug auf die Grösse des Intervalls' 
trifft man nach einiger Uebung bald das Richtige. Wir bemühten uns, 
dasselbe annähernd gleichmässig etwa eine Sekunde lang zu machen. 
Dann war der Reagirende im Stande, sich einfach nach dem Avertisse¬ 
ment auf die Wahrnehmung des Reizes vorzubereiten und gerieth nicht 
in Versuchung, voreilig zu reagiren. Hin und wieder allerdings sind 
voreilige Reactionen vorgekommen; diese sind dann aber sehr leicht als 
solche kenntlich und können eliminirt werden. Nur bei einer Klasse 
von Versuchen, denen mit Gehörsreizen, schien das „Jetzt“ zuweilen stö¬ 
rend einzuwirken. Vielleicht ist dies dem Umstand zuzuschreiben, dass 
es selbst auch ein Gehörsreiz ist. Uebrigens sind wir bei diesen und 
andern Versuchsreihen durch Controlversuche ohne Avertissement zu der 
Ueberzeugung gelangt, dass nach erlangter Uebung die absoluten Werthe 
der erhaltenen Zahlen bei der einen und der andern Methode sich nicht- 
wesentlich unterscheiden. 
Berechnung. — Die Art der Berechnung der Versuche ist zwischen 
Hirsch2 und Exner3 ein Gegenstand der Differenz gewesen. Exner 
hebt aber, wie uns scheint, mit Recht, hervor, dass die verschiedenen 
Endabsichten der beiderseitigen Untersuchungen die Verschiedenheit der 
Berechnung rechtfertigen, sogar mit Nothwendigkeit dazu führen. In 
der That, bestimmt man die Reactionszeiten, um in andern Fällen, wo- 
nur die Zeitpunkte der Reaction bekannt sind, die Zeiten der Reize mit 
möglichster Genauigkeit zu ermitteln, so ist klar, dass man bei der Be¬ 
stimmung der Reactionszeit alle vorkommenden Fälle auch mitrechnen 
muss. Studirt man dagegen die Reactionszeit um ihrer selbst willen, 
so muss man sich offenbar an die möglichst einfachen Verhältnisse hal¬ 
ten, und Einzelwerthe, die aus der Reihe fallen, streichen. Denn es 
lässt sich mit Sicherheit annehmen, dass bei der Entstehung dieser 
Werthe irgend eine zufällige Complication vorlag, mit der wir gar nichts 
zu thun haben wollen. So sind wir denn auch immer verfahren. Maass¬ 
gebend war uns dabei das Intervall, durch welches der fragliche Werth von 
den übrigen getrennt war, wobei natürlich die Constanz dieser unter sich 
auch in Betracht gezogen werden musste. Im Ganzen übrigens ist die Frage 
für unsere Versuche keine sehr wesentliche, weil es sich für uns immer 
um Differenzen handelt. Hätten wir gar nicht gestrichen, so wären alle 
1 Wundt, Physiologische Psychologie. S. 736. 
2 Bulletin de la société des sciences naturelles de Neuchâtel. 1874. 
3 Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd. XII. 
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