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Adam Smith’s Moralphilosophie.
zu machen wie Butler, geschickt und consequent mit seinen
Grundprincipien in Einklang zu bringen weiß.
Zweitens ist Butler ein Fortsetzer Shaftesbury’s durch das
Bestreben, die Selbständigkeit und Ursprünglichkeit altruistischer
Triebe neben den egoistischen nachzuweisen, sowie durch die Be¬
tonung der Unmöglichkeit, die ersteren auf die letzteren zurück-
zuführen.
Bei weitem enger jedoch als Butler schließt sich Hut che Sohr
an den Lehrer an. Er ist eigentlich der erste, welcher der For¬
derung einer psychologischen Analyse in ausgedehnterem Maße
nachkommt ; seine Untersuchungen erstrecken sich auch auf speciell
ästhetische Fragen, und seine Begabung gerade für diese war viel¬
leicht um so größer, je einsamer er auf diesem Gebiet in seiner
Zeit dastand. Seine moralphilosophischen Untersuchungen führen
ihn zu der Annahme zweier ursprünglichsten, im Bewusstsein auf¬
zufindenden Elemente : erstlich eines passiven, die Handlungen und
Gesinnungen anderer mit unmittelbarer und unwillkürlicher Billigung
oder Missbilligung begleitenden moralischen Sinns — der bei Shaftes-
bury nur gelegentlich vor kommende Ausdruck wird erst hier zum
terminus technicus — zweitens aber eines activen, auf das allge¬
meine Beste gehenden, ebenso unmittelbaren und vor allem unin-
teressirten Wohlwollens, das er als einen »gewissen Instinct«
bezeichnet, der eher war als alle Gründe des Eigennutzes1).
Diesen Grundtrieb des Wohlwollens vergleicht er mit der Schwer¬
kraft der kosmischen Körper, die Selbstliebe dagegen mit der
» Attraction, welche die Cohäsion der Theile verursacht« (S. 300);
ein Vergleich, der auch darin zu trifft, dass beide entgegen¬
gesetzte Kräfte von gleicher Wichtigkeit für das Ganze sind, und
dass nur durch ihr Zusammenwirken die realen Erscheinungen dort
in der physikalischen, hier in der moralischen Welt zu Stande
1) vgl. »Untersuchung unserer Begriffe von Schönheit und Tugend«, übers,
von Merk 1762. S. 166. Diese Abhandlung ist reich an klaren Definitionen
jener beiden elementaren Principien; so S. 241: Die Menschen haben von
Natur ein moralisches Gefühl von der Güte einer Handlung, und sind eines
uneigennützigen Wohlwollens fähig. S. 158: In der menschlichen Natur
liegt eine uneigennützige letzte Begierde nach dem Wohle anderer, und der
moralische Sinn bewegt uns, die aus dieser Begierde fließenden Handlungen zu
billigen.
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