Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

558 
Johannes Schubert. 
Sehen wir indessen von diesen metaphysischen Inconsequenzen 
ah und betrachten Shaftesbury’s Philosophie auf ihre Bedeutung 
für die Fortentwicklung der Ethik hin, so müssen wir ihre anre¬ 
gende Kraft sehr hoch anschlagen. Die Neuheit des Gedankenge¬ 
haltes, gestützt und gehoben durch eine ebenso ungewöhnliche, 
gegen die trockene Weitschweifigkeit der Intuitionisten vortheilhaft 
abstechende und eine vollendet vornehme Persönlichkeit wieder¬ 
spiegelnde äußere Darstellung, musste einen großen, anregenden 
Einfluss ausüben ; andererseits macht die umfassende, zahlreiche 
forthildungsfähige Keime ausstreuende Universalität des Mannes eine 
nach verschiedenen Richtungen hin erfolgende Fortsetzung seiner 
Philosophie erklärlich. 
So finden wir den ersten seiner bedeutenderen Schüler, den 
ernsten, religiösen, von einer der menschlichen Natur wenig zu¬ 
trauenden pessimistischen Grundstimmung beherrschten Butler in 
manchen Punkten auf völlig entgegengesetztem Standpunkt stehend; 
als Fortsetzer Shaftesbury’s muss er indessen aus zwei Gründen 
angesehen werden. Er hat erstens den Begriff des »moralischen 
Sinns« durch den des Gewissens, der Verpflichtung bereichert. Bei 
Shaftesbury handelte es sich vor allen Dingen um die Frage: 
Welch ein Seelenvermögen lässt uns zwischen gut und böse unter¬ 
scheiden? Es war ihm in seinem Optimismus selbstverständlich, 
dass man das als gut empfundene auch ausführt; alle schlechten 
Handlungen in der Welt entsprangen ihm wesentlich aus einer 
fehlerhaften Organisation jenes Unterscheidungsvermögens — etwa 
so, wie jemand, der mit einem schlechten musikalischen Gehör 
begabt ist, auch nothwendig schlechte Musik macht. Aber dem 
vertrauensseligen liberalen Weltmanne tritt der einsame geistliche 
Denker ergänzend gegenüber, indem er auf das nachdrücklichste 
den Begriff einer activen Verpflichtung betont — freilich, ohne 
demselben eine bessere Begründung geben zu können, als durch 
den Hinweis auf die Coincidenz von Pflichterfüllung und Privat¬ 
interesse, Wir werden später sehen, wie Adam Smith jenen 
wichtigen Begriff in seine Theorie aufnimmt und ihn, ohne das 
gleiche »unglückliche Zugeständniss an den allgemeinen Zeitgeist«1) 
1) So nennt Stephen in seiner »Geschichte des englischen Denkens« jene 
Beweisführung des von ihm sonst sehr hochgestellten Denkers.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.