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Zeit seines Lebens entstammenden Schilderungen, welche theilweise
einen zwar durch das Alter etwas wehmüthig gefärbten, im ganzen
aber den Geist des Erstlingswerkes treu reflectirenden Charakter
tragen, combinirt er Plato’s Gerechtigkeit, Epikur’s Klugheit
und Hutcheson’s Wohlwollen zu einem ansprechenden System
praktischer Tugendlehre, aus dem indessen für den theoretisch¬
wissenschaftlichen Kernpunkt seiner Lehre nichts Neues zu ent¬
nehmen ist.
III. Schlussbetrachtung.
Prüfen wir zum Schluss noch einmal Smith’s Theorie auf
ihren Grundcharakter hin, so erweist sie sich als eine Gefühls¬
moral consequentester und doch zwanglosester Art. Die im Ver¬
laufe der Darstellung nachgewiesenen Inconsequenzen ändern an
diesem Urtheil nichts, da sie nirgends den inneren Gang der
logischen Entwickelung stören und als äußere Anhängsel leicht
entfernt werden können.
Vergegenwärtigen wir uns diesen Entwicklungsgang noch ein¬
mal in aller Kürze:
Eine jede sittliche Billigung oder Missbilligung wird zurück¬
geführt auf die Größe der Differenz, welche sich zwischen einem
Affect und seiner Aeusserung einerseits und dem sympathetischen
Affect des unparteiischen Zuschauers andrerseits befindet.
Die Gerechtigkeit macht davon keine Ausnahme; der Affect,
der hier zur allgemeinen Billigung gelangt, ist der Zorn.
Die Enstehung sittlicher Normen wird aus einzelnen, auf jene
Weise zur Billigung gelangten Thatsachen rein empirisch abgeleitet
und die verpflichtende Kraft auf die ursprüngliche Begierde nach
Billigung zurückgeführt, einen Trieb, den Smith vielleicht für den
stärksten von allen (psychischen) Strebungen erklärt, der indessen
im reifen Bewusstsein zu einer solchen Läuterung gediehen sein
muss, dass er unter Umständen auf den Beifall der wirklichen Welt
zu verzichten und nur aus Rücksicht auf das Urtheil einer idealen,
durch den inneren Zuschauer repräsentirten Welt zu handeln
fähig ist.
Den Nützlichkeitserwägungen sowie den Einflüssen von Mode
und Gewohnheit wird ihre hervorragende Bedeutung gesichert, ihre