Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

Adam Smith’s Moralphilosophie. 
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gemein üblich, den sittlichen Forderungen im praktischen Lehen 
durch den Hinweis auf ihre Ersprießlichkeit einen Nachdruck zu 
verleihen, den die Berufung auf das Gefühl nicht in gleichem 
Maße auszuühen vermag. Aber die theoretische Untersuchung 
darf sich nicht dadurch bestimmen lassen, nun auch die thatsäch- 
liche Entstehung und Entwicklung des Sittlichen sich auf diesem 
Wege vollziehend zu denken. 
Von einem für jene Zeit sehr bemerkenswerthen historischen Sinn 
zeugt es, dass Smith den Einflüssen von Mode und Gewohnheit auf 
die sittlichen Urtheile eine verhältnissmäßig eingehende Beachtung 
schenkt. Er zieht zum Vergleich die ästhetischen Urtheile herbei 
und zeigt, wie sehr dieselben je nach Zeit und Volk dem Wechsel 
unterworfen sind; dabei ist er aber geneigt,, den ästhetischen Ge¬ 
schmack für viel wandelbarer zu halten als den moralischen, eine Er¬ 
scheinung, die er auf die Feinheit und Zartheit der Organisation des 
Schönheitssinnes zurückführt, von dem sich die Billigungs- oder 
Missbilligungsgefühle durch ihre stärkere Fundirung unterscheiden. 
Allerdings muss bemerkt werden, dass Smith in demjenigen, 
was er als »Mode« bezeichnet, weiter geht, als es der Sprachgebrauch 
gestattet. Wenn der Prinz von Wales einen neuen Hut erfindet, 
so ist das eine Mode; wenn aber ein genialer Künstler eine tief¬ 
gehende Umwälzung in der bestehenden Kunstanschauung hervor¬ 
ruft, so kann die Nachahmung derselben freilich auch zur Mode 
werden; die Bedingungen jener Umwälzung selber müssen indessen 
tief in geistigen Strömungen und Bedürfnissen der ganzen Zeit 
begründet liegen. Ebenso kann in sittlicher Beziehung durch das 
Vorbild einer tonangebenden Persönlichkeit Ungebundenheit und 
ausschweifendes Leben in gewissen Kreisen eines Volkes Mode 
werden, kann für nobel, groß, ritterlich gelten; aber die verschie¬ 
denen sittlichen Anschauungen ganzer Völker und Zeiten wurzeln in 
tieferen Bedingungen, als dass sie durch den Ausdruck »Mode« be¬ 
zeichnet werden könnten. 
Immerhin weisen die Smith’sehen Untersuchungen auch in 
dieser unentwickelten Form auf ein fruchtbares Gebiet ethischer 
Forschung hin; sie enthalten im Keime wichtige Specialgebiete 
einer Wissenschaft, welche erst heute sich zu vollerer Blüthe zu 
entwickeln beginnt — der Völkerpsychologie.
	        
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