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Johannes Schubert.
Schön und treffend ist, was Smith über den praktischen
Werth der Religion sagt. Obwohl er, gleich Shaftesbury, den
fanatisirenden Einfluss unreiner Religionsvorstellungen beklagt, so
ist er doch weit entfernt, nun den Werth der Religion deshalb an
und für sich zu bezweifeln, wie dies Hume thut. Nur das eine
Postulat stellt er als unbedingt nothwendig auf : größte gegenseitige
Duldung der verschiedenen Religionsgemeinschaften, welche ja in
dem Glauben, was ihnen Gott eigentlich gebiete, so weit von
einander abwichen.
Es ist wieder der optimistische Grundzug seines Wesens, der
ihn zu einer Forderung bestimmt, die mit derjenigen des pessi¬
mistischen Hobbes im schroffsten Gegensatz steht. Hobbes
glaubte nicht an die Lebensfähigkeit einer solchen liberalen Gemein¬
schaft, und so ersann er als ein Radicalmittel, welches alle con-
fessionellen Reibungen unmöglich machen sollte, eine einheitliche
Staatsreligion — welchen Charakters, war ihm ziemlich gleichgültig
— die weder in Wort noch in That eine Auflehnung gegen sich
duldete. So erstickt man allerdings unter Umständen den Fanatis¬
mus, aber auch zugleich lebensfähige Keime der edelsten Art,
welche in entwickeltem Zustande jenem wilden Instincte mit leichter
Mühe die Wage zu halten vermögen.
4.
Nachdem Smith in den ersten drei Theilen die Grundsteine
seiner Theorie befestigt, konnte er daran gehen, noch als Ergänzung
einige Ausführungen hinzuzuthun, wie sie ihm besonders durch
Hume’s Anschauungen nahe gelegt wurden. Die Sympathie mit
der bloßen ^Nützlichkeit einer Handlung als ursprünglichsten
Billigungsgrund hatte er im Verlauf seiner ganzen bisherigen
Darstellung abgelehnt; jetzt konnte er den bedeutenden Einfluss,
welchen die kühle Reflexion nachträglich auf die Modification des
Urtheils ausübt, ruhig zugeben. Es muss hier nach seiner Ansicht
eben ein — in metaphysischen Bedingungen wurzelnder — glück¬
licher Parallelismus constatirt werden, der sich darin äußert, dass
eine das unmittelbarste Gefühl sympathisch berührende Handlung
sich auch in der Reflexion und Erfahrung als gut und werthvoll
herausstellt. Und deshalb ist es empfehlenswerth und auch all-