Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

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Johannes Schubert. 
Zomesaufwallungen einstellen. »Hier haben sie (jene Mitleidigen) 
nun Gelegenheit, die Erwägungen des allgemeinen Nutzens der 
Gesellschaft zu Hülfe zu rufen. Sie müssen dem Andrange jener 
weichlichen und parteiischen Menschlichkeit die Gebote einer edleren 
und umfassenderen Menschlichkeit entgegensetzen.« (I 209.) »Aber 
so wenig Scharfsinn auch dazu gehört, die zerstörenden Wirkungen 
wahrzunehmen, welche der gesellschaftlichen Wohlfahrt aus frevel¬ 
haften Handlungen drohen«: ursprünglich hervorgerufen wird jene 
Billigung der Wiedervergeltung dadurch in den allerseltensten 
Fällen; existirt sie doch bei den allerthörichtsten und gedanken¬ 
losesten Menschen, in deren Kopf niemals der Schimmer einer re- 
flectirenden Regung fällt. Ganz besonders klar ist dies bei schweren 
Verbrechen, so beim Morde: »In Ansehung dieses furchtbarsten 
aller Verbrechen hat die Natur eine allem Nachdenken über die 
Nützlichkeit der Strafe vorhergehende, unmittelbare und instinctive 
Billigung des heiligén und nothwendigen Gesetzes der Wiederver¬ 
geltung mit starken und unauslöschlichen Zügen in unser Herz 
gegraben«. (I 162.) 
Freilich, jener »merkwürdige Unterschied« zwischen der GeT 
rechtigkeit und den übrigen sittlichen Erscheinungen, welcher 
Hume wahrscheinlich zu seinen Betrachtungen veranlasst hat, 
gibt auch Smith zu denken und verlangt eine Erklärung. Er 
liefert sie dadurch, dass er jenen Unterschied auf die Thatsache 
gründet, dass der Unbill-Leidende mit aller Schicklichkeit Gewalt 
brauchen könne, um sich zu rächen, während in keinem anderen 
Falle sittliches Verhalten (wenn auch nur äußerlich) durch Gewalt 
erzwungen werden könne. Dieser Unterschied erhalte freilich eine 
Compensation insofern, als ein Befolgen der gesetzmäßigen Gerech¬ 
tigkeit nirgends Anspruch auf Lohn oder Bewunderung machen 
dürfe, wie es doch bei den übrigen Tugenden der Fall sei. (I 186.) 
Man darf es übrigens Smith nicht zum Vorwurf machen, 
wenn er bei diesen elementarsten Erörterungen stehen geblieben 
ist und sich auf eine Untersuchung, wie sich hieraus die staatliche, 
von jenen primitivsten Gerechtigkeitsäußerungen so unendlich weit 
entfernte Rechtsordnung entwickeln musste, nicht weiter eingelassen 
hat. In seinem Plane lag eben nur die Auffindung der emotio¬ 
nalen Grundlagen der sittlichen Erscheinungen ; dass seine Ansichten
	        
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