Adam Smith’s Moralphilosophie. 583
die Quelle der moralischen Billigung, welche diese Tugend be¬
gleitet«. (III 271.)
Beide Erklärungen werden nun von Smith zu Gunsten der
Einheitlichkeit der Theorie abgelehnt.
Es gibt einen Affectj welcher .unter-Sympathie, aller unpar¬
teiischen Zuschauer eine von einejn Menschen mit Absicht zuge¬
fügte Unbill wieder zu vergelten trachtet, das ist der Zorn (resent¬
ment). Smith erklärt es durchaus für keine Herabwürdigung der
Sympathie, mit diesem gewöhnlich »als eine so verhasste Leiden¬
schaft betrachteten« Affecte zu sympathisiren (I 177); er setzt den
Yergeltungstrieb im weitesten Sinne wieder in die Rolle ein, welche
er in der Ethik des alten Testamentes gespielt, wenn er erklärt:
»Mit dem Maße, mit dem Jemand misst, soll ihm wieder gemessen
werden, das scheint das große Gesetz zu sein, das die Natur uns
zugeflüstert hat«. (I 191.) Ist somit also eine emotionale Grundlage
der Gerechtigkeit im Zomaffect zu suchen, so kann andererseits
die Quelle der sittlichen Billigung dieses Affects nicht in der Sym¬
pathie mit dem Nutzen der Gesellschaft liegen, denn erstens: Es
kann gar keine Sympathie mit dem Nutzen der Gesellschaft
geben, weil eine Gesellschaft als Organismus, als Gesammtpersön-
lichkeit, mit der man Mitgefühl haben könnte — gar nicht existirt.
Es gibt nur Einzelwesen, mit deren jedem mich ein allgemeines
Menschengefühl, ein »general fellow-feeling« verbindet, welches ge¬
nügt, um das durch erlittene Unbill entfachte Zorngefühl eines
Anderen zu billigen und die Wiedervergeltung unter Umständen
mit erzwingen zu helfen. Wir bemerken hier übrigens, wie die
atomistische Auffassung der Gesellschaft, die in Smith’s Volks¬
wirtschaftslehre eine so große Rolle spielt, auch hier schon zu
einem zwar vereinzelt dastehenden, aber energischen Ausdruck
kommt. . Zweitens kann die Quelle jener Billigung nicht die
Sympathie mit dem Nutzen der Gesellschaft sein, weil eine un¬
mittelbare, auf einem instinctiven Gefühl beruhende Sympathie mit
der Bestrafung eines Uebelthäters vorhanden sein muss, die sich
erst später durch hinzutretende Erwägungen und Erfahrungen auch
als nützlich erweist und dadurch allerdings eine große Kräftigung,
eine Sicherung gegen Gefühlsschwankungen erhält, wie sie sich bei
weicher organisirten Gemüthern leicht nach Erkalten der ersten