Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

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Johannes Schubert. 
dienstlichen Handlung. Die Tendenz der Dankbarkeit ist also 
Belohnung, die des Zornes — die Strafe. 
Für den unparteiischen Zuschauer erwächst hier aber eine 
doppelte Aufgabe: Es genügt nicht allein, dass er jene beiden 
Affecte der Dankbarkeit und des Zornes auf ihr Verhältniss zur 
erregenden Ursache hin prüft; er muss auch die Handlung des¬ 
jenigen, gegen den der Affect gerichtet ist, auf ihre Schicklichkeit 
oder Unschicklichkeit hin beurtheilen. Nur dann kann zweifellos 
die Sympathie mit der Dankbarkeit eine völlige sein, wenn das 
Betragen des ursprünglichen Wohlthäters, welcher jetzt zum Gegen¬ 
stände jenes Affectes gemacht wird, gebilligt, also als wahrhaft 
verdienstlich anerkannt zu werden vermag ; nur dann kann anderer¬ 
seits die Sympathie mit einem Zomaffect eine völlige sein, wenn 
das Betragen des Uehelthäters, gegen den der Affect gerichtet ist, 
auch vom unparteiischen Zuschauer gemissbilligt wird. (S. 163.) 
So ist also das Gefühl von Verdienst oder Missverdienst heim Zu¬ 
schauer ein zusammengesetztes; es entsteht aus einer — wie Smith 
sie nennt — directen Sympathie mit den Triebfedern und Affecten 
des Handelnden, und einer indirecten Sympathie mit den Vergel- 
tungsaffecten dessen, der durch die Handlung afficirt wird. Es ist 
dies eine sehr treffende, in den psychologischen Process tief ein¬ 
dringende Beobachtung, welche durch die breit angelegte Ausfüh¬ 
rung Smith’s noch besonderen Nachdruck erhält. 
Was uns hier aber von besonderer Wichtigkeit ist, das ist die 
Ableitung der Gerechtigkeit, dieses Schmerzenskindes der emotio¬ 
nalen Ethik, aus denselben Grundlagen, welche auch für die 
anderen sittlichen Erscheinungen gelten. Erinnern wir uns, wie 
Hume vergeblich nach einem Affect gesucht hatte, aus dessen 
Wirksamkeit sich diejenigen Erscheinungen erklären ließen, welche 
der unparteiische Zuschauer als »gerechte« billigt. Nach seiner An¬ 
sicht hat zur »Erfindung« dieser Tugend nichts als die Beobachtung 
geführt, dass nur durch Festsetzung von Rechtsnormen die Erhal¬ 
tung der menschlichen Gesellschaft möglich ist — eine Erfindung, 
mit der sich freilich im Laufe der Zeit durch Staatskunst und Er¬ 
ziehung das Gefühl der Moralität allmählich verbunden hat. (Trea¬ 
tise III 298 f.) So ist also Eigennutz die Quelle der Gerechtigkeit, 
aber »eine gewisse Sympathie mit dem Nutzen der Gesammtheit
	        
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