Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

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Johannes Schubert. 
ständen verschwendet, deshalb an sich noch keine unehrliche zu 
sein braucht. 
Das praktische Facit, welches Smith aus diesen Betrachtungen 
zieht, ist naturgemäß von den Ansichten anderer Moralisten nicht 
sehr verschieden ; es trifft besonders mit den Grundsätzen der 
Stoiker, zu welchen er überhaupt große Zuneigung zeigt, zusammen; 
wie diese empfiehlt er gleiche Schätzung aller Stände, weil in allen 
der annähernd gleiche Grad von Billigung zu erreichen sei, wenn 
auch in glücklicher Lebenslage leichter als in unglücklicher. — 
Wir können indessen die Darstellung dieses ersten Theiles der 
Theorie nicht ahschließen, ohne noch einen wichtigen Punkt in 
Kürze klar gestellt zu haben. Man wird dem der ganzen Unter¬ 
suchung zu Grunde liegenden Satze, dass das billigende oder miss¬ 
billigende Urtheil aus Gefühlsconsonanz oder -dissonanz von Ori¬ 
ginal- und Sympathieaffect bestehe, die Thatsache entgegenhaiten 
können, dass im gewöhnlichen Leben so viele billigende Urtheile 
gefällt werden, ohne dass darum der Sympathieaffect zur Höhe des 
ursprünglichen emporschnellt und umgekehrt. 
Also ist es doch wohl nicht das Gefühl, welches als elemen¬ 
tares Urtheilsprincip angesehen werden muss, sondern so etwas wie 
Reflexion oder Vernunft? 
Smith hat diesen Punkt sehr wohl in Erwägung gezogen, wenn 
er auf Seite 23/24 (I. Band) ausfuhrt: »Es gibt freilich einige Fälle, 
in welchen wir ohne irgend eine Sympathie oder Aehnlichkeit der 
Empfindung zu billigen scheinen, und in welchen demgemäß das 
Gefühl der Billigung von der Wahrnehmung jener Uebereinstim- 
mung verschieden sein möchte. Ein wenig Aufmerksamkeit wird 
uns indessen überzeugen, dass auch in diesen Fällen unser Beifall 
sich ursprünglich auf eine derartige Sympathie oder Gefühls- 
Übereinstimmung gründet«. Smith führt dann ein paar Beispiele 
dieser Art an: Wir billigen vollkommen den Kummer eines Men¬ 
schen, dem sein Vater gestorben ist, obgleich es uns im Augen¬ 
blicke unmöglich ist, die Heftigkeit des Schmerzes zu theilen oder 
auch nur eine größere Aufwallung von Mitleid zu verspüren etc. 
Er gibt dieser Sympathie den Namen »bedingte (conditional) Sym¬ 
pathie«; man könnte sie vielleicht noch besser reflectirte Sympathie 
nennen, weil sie nur ein schwacher Reflex desjenigen Gefühls ist,
	        
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