Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

Adam Smith's Moralphilosophie. 
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anderes Gefühl von seiten des Beurtheilten selber hinzukommen, 
um die Entstehung jener Kraft zu erklären. Für die Pflicht der 
Concentration des Sympathieaffects hat allerdings Smith überhaupt 
keine Ableitung gegeben, aber hier ist es ohne weiteres klar, dass 
ein Recht zu urtheilen nur dann vorhanden sein kann, wenn ihm 
die Pflicht zur Seite geht, alles das vorher zu erfüllen, was allein 
ein gerechtes Urtheil herbeizuführen vermag. 
Es wird indessen Niemand entgangen sein, dass Smith in dem 
Augenblicke, wo er für den unparteiischen Zuschauer selber eine 
Norm aufstellt, wo er, wie wir sogleich sehen werden, auf jenes 
Hinaufstimmen des Sympathieaffects sogar eine besondere Klasse 
sittlicher Erscheinungen gründet, den Boden des rein passiven 
Sympathiebegriffs aufgibt und ihn mit einem anderen Princip ver¬ 
mischt, mögen wir dieses nun mit Hutcheson Wohlwollen oder 
mit Kant]) Humanität nennen. In dem Kapitel »of the amiable 
and respectable virtues« (S. 41) macht sich jene Begriffsvermengung 
ganz besonders bemerklich. Der sympathisirende Zuschauer schlägt 
hier plötzlich selber in einen sittlich Handelnden um, und es ist 
äußerst charakteristisch, wie in diesem Augenblicke er sofort nun 
seinerseits der Gegenstand einer Beurtheilung wird: »Wie liebens¬ 
würdig ist uns derjenige, in dessen sympathetischem Herzen alle 
Empfindungen deijenigen wiederzuhallen scheinen, mit denen er 
verkehrt«; (S. 41) »wie widerwärtig ist uns dagegen der Unempfind¬ 
liche« etc. Es geht hieraus zur Genüge hervor, wie nothwendig 
zum Yerständniss der Theorie die oben geforderte Auseinander¬ 
haltung beider Begriffe ist. 
Die beiden Klassen von Tugenden, welche Smith aus jenem 
Heraufstimmen des sympathetischen und dem Herabstimmen des 
ursprünglichen Affects ableitet, sind nun die liebenswürdigen 
(amiable) und die erhabenen (respectable) Tugenden. Die ersteren 
1) Kant unterscheidet (wie auch Oncken bemerkt hat) sehr genau die 
blos passive sympathia moralis von der humanitas, wenn er in der Met. d. Sitten 
(Hartenstein 1838. Y 294) erklärt: Mitleid und Mitfreude sind zwar sinnliche 
Gefühle einer (darum ästhetisch zu nennenden) Lust oder Unlust an dem Zu¬ 
stande des Vergnügens sowohl, als Schmerzens anderer .... aber diese als 
Mittel zur Beförderung des thätigen und vernünftigen Wohlwollens zu ge¬ 
brauchen, ist noch eine besondere .... Pflicht, unter dem Namen der Mensch¬ 
lichkeit (humanitas). 
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