Volltext: Adam Smith‘s Moralphilosophie (6)

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Schluss, dass die Gerechtigkeit keine »natürliche«, sondern eine 
künstliche, eine » conventioneile « Tugend sei; nur die Reflexion 
über den Nutzen könne als die alleinige Quelle der den Besitz des 
Einzelnen sichernden und somit das Bestehen der Gesellschaft erst 
möglich machenden Gerechtigkeit angesehen werden. 
Auf eine nähere Darstellung dieser scharfsinnigen Untersuchung 
können wir hier nicht eingehen ; wir werden später sehen, wie 
diese Theorie, die bei Hume zu einer doppelten Grundlegung der 
Moral geführt hat, durch Adam Smith überwunden und be¬ 
seitigt wird. 
II. Adam Smith’s Moralphilosopliie. 
Adam Smith1), geboren am 5. Juni 1723 zu Kircaldy in 
Schottland, gestorben 1790 zu Edinburg, ist in weiten Kreisen 
heute vor allem durch sein grundlegendes Werk der liberalen 
Yolkswirthschaftslehre bekannt und berühmt; und in der That kann 
sich, was die praktischen Folgen sowohl als die fruchtbare Anregung 
zu theoretischen Studien anbelangt, die 1759 erschienene, also um 
17 Jahre ältere »Theorie der sittlichen Gefühle« mit dem Erzeugniss 
seiner reifsten Mannesjahre nicht messen; aber es wäre durchaus 
ungerechtfertigt, wollte man durch die Contrastwirkung, unter 
welcher das Jugendwerk neben dem Hauptwerke sichtbar zu leiden 
gehabt hat, sich täuschend beeinflussen lassen. Sowohl für sich 
betrachtet, als im Hinblick auf die innere Fortbildung, welche die 
Reihe der emotionalistischen Systeme durch seine »Theorie« erhalten 
hat, ist dieselbe ein vortreffliches Werk, ausgezeichnet durch Reich¬ 
thum und Feinheit der Beobachtung, sichere Beherrschung der 
Methode sowie durch eine im ganzen conséquente und dabei er¬ 
staunlich zwanglose Durchführung des Grundgedankens. 
Der Vernachlässigung gegenüber, unter welcher Sm it h’s Jugend¬ 
werk zu leiden gehabt, hat nun Thomas Buckle, ein moderner 
Verehrer des Denkers, die extreme Behauptung aufgestellt, dass 
zwischen diesem und dem volkswirthschaftlichen Hauptwerk ein 
tiefer innerer Zusammenhang vorhanden sei, ja, dass das eine nur 
1) Sein Leben hat Dugald Stewart geschrieben. Ausg. von Stewart’s 
Werken, Edinburg 1877.
	        
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