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Johannes Schubert.
die causae finales als unphilosophiseh verwirft, der verlegt ganz
consequent den Zweckbegriff in das beurtheilende Subject und lässt
ihn dort zum Hauptgründe des billigenden oder missbilligenden
Urtheils werden. Damit verliert dann das sittliche Urtheil seinen
vorwiegend ästhetischen Charakter, den es bei Shaftesbury und
Hutcheson gehabt hat; und es ist psychologisch sehr erklärlich,
wenn Hume nun auch das im speciellen Sinne Aesthetische nach
dem Zweckmäßigen herüber zu ziehen sucht und wenigstens einen
hervorragenden Bestandtheil des Schönen aus der zweckmäßigen
Nützlichkeit desselben abzuleiten sich bemüht.
Es darf übrigens nicht unerwähnt bleiben, dass Hume seinem
oben skizzirten Standpunkte nicht immer mit jener Strenge treu
geblieben ist, wie es zur klaren Auffassung der Begriffe gerade in
diesen unsicheren Fragen nothwendig gewesen wäre; und Jo dl1)
macht mit Recht auf eine Stelle in der späteren Bearbeitung der
Ethik2) aufmerksam, wo Hume selber zugesteht, dass oft gerade
da machtvolle moralische Affectionen einträten, wo gar kein Ge¬
danke an die Folgen der Handlung auftauche.
Zu einem vollen nominalistischen Utilitarismus bekennt sich
Hume in seiner bekannten Auffassung von der Gerechtigkeit.
Während alle anderen sittlichen Handlungen aus Beweggründen
entstehen, die in der menschlichen Natur als ursprüngliche, natür¬
liche Triebe vorhanden3) und zunächst von der »Empfindung der
Moralität der Handlung ganz unterschieden sind«4) — denn diese
liegt ja im Gefühl des Zuschauers —, sucht Hume vergeblich nach
einem Trieb, aus dessen Wirksamkeit die vom Zuschauer als »ge¬
recht« gebilligten Handlungen entstehen5). So kommt er zu dem
1) Geschichte der Ethik I 236.
2) Wie sie im 3. Bande der »Essays« vorliegt.
3) Vgl. Treatise III 286. Keine Handlung könne von uns als eine Schul¬
digkeit gefordert werden, wenn nicht ein wirkender Affect oder Beweggrund in
die menschliche Seele gepflanzt sei, der im Stande sei, die Handlung hervorzu¬
bringen. Freilich könne ein Mensch, der einen allgemein verbreiteten, als sitt¬
lich geltenden Trieb in sich vermisse (etwa die Liehe zu den Eltern), nun den
Willen haben, aus Pflicht zu thun, was ihm aus natürlicher Neigung ver¬
sagt sei.
4) Treatise III 253.
5) Der Begriff »Gerechtigkeit« ist von Hume stets in dem engeren juri¬
stischen Sinn gefasst.