Adam Smith’s Moralphilosophie.
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Die Handlungen selber entstehen eben aus Trieben und Neigungen,
die, für sich genommen, »ursprüngliche Thatsachen und Realitäten
sind« und »ihre Vollständigkeit in sich selber haben«1); gut oder
schlecht werden sie ohne Zweifel erst dadurch, dass gewisse
Handlungen und Gesinnungen bei dem Zuschauer ein Lust-, an¬
dere ein Unlustgefühl hervorrufen; diese moralischen Gefühle
haben eine ganz bestimmte Qualität und unterscheiden sich genau
von anderen, z. B. ästhetischen Gefühlen. Es fragt sich nun ferner:
Ist dieses Lust- resp. Unlustgefühl ein unmittelbares, durch den
bloßen Anblick der Handlung hervorgerufenes, oder entsteht das¬
selbe durch den Hinblick auf den Zweck, welcher durch diese
Handlung erreicht werden soll? Hume erklärt sich für das letztere:
der unparteiische Zuschauer sympathisirt mit demjenigen, wel¬
chem aus einer Handlung ein Nutzen erwächst2 3) ; so führt also die
völlig uninteressirte, durch keine selbstsüchtigen Rücksichten ge¬
trübte Sympathie, welche der unparteiische Zuschauer mit dem
Nutzen der Gesellschaft empfindet, zu Lust- oder Unlustgefühlen,
welche in ihrer von anderen emotionalen Regungen genau unter¬
schiedenen Qualität durch die Worte »gut« und »schlecht« bezeichnet
werden.
Man beachte nur den Unterschied, wie er zwischen einer
solchen im empirisch-praktischen2), und einer im metaphysischen
Sinne teleologischen Auffassung der Ethik besteht, wie sie etwa
Hutcheson hatte.
Wer in der ganzen Welt nur eine planmäßige Anlage zur Ver¬
wirklichung des Guten sieht, der kann sehr wohl die Behauptung
wagen, dass unser moralisches Gefühl zu einer unmittelbaren und
instinctiven Auffassung von gut und schlecht prädisponirt ist ; etwa
ebenso, wie das ästhetische zur Auffassung von schön und hässlich;
es liegt dann eben in der Zweckmäßigkeit des Ganzen begründet,
dass das als moralisch schön Empfundene auch in seiner Tendenz
das allgemeine Beste zum Ziel hat; wer indessen, wie Hume,
1) Treatise III 236.
2) Treatise III 371 »Alle Tugenden haben ihr Verdienst von unserer Sym¬
pathie mit denen, welche Nutzen davon ziehen.«
3) In neuester Zeit hat F. Paulsen diesen empirisch-praktischen Begriff
einer teleologischen Ethik wieder stark betont.