Volltext: Ueber die Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit von Bewegungen (6)

Ueber die Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit von Bewegungen. 531 
derselben zu apperceptiver Deutlichkeit gelangt, ist aus der auf ihn 
gerichteten Erwartung unschwer zu erklären. 
Bei der musculären Reaction ist die Ausführung der Bewegung 
vollkommen vorbereitet und nur an die Bedingung einer bestimmten 
Sinnesreizung geknüpft. Der geringste Anstoß von dieser Seite ist 
im allgemeinen ausreichend, um die Bewegung einzuleiten. Daher 
bedarf es hier keines so umständlichen psychischen Apparats, wie 
bei der sensoriellen Reaction. Die vorzeitigen und Fehlreactionen 
sind charakteristische Folgeerscheinungen der musculären Disposition. 
Denselben kann, glaube ich, auch eine psychologische Deutung ge¬ 
geben werden. Hiernach erfolgen die vorzeitigen Reactionen, wenn 
ein Erinnerungsbild des Eindrucks die auslösende Wirkung ausübt. 
Das Analoge würde bei den sensoriellen Reactionen stattfinden, falls 
die Erwartung hallucinatorischen Charakter annähme. Die Fehl¬ 
reactionen dagegen lassen sich psychologisch begreifen, wenn man 
sich den Eintritt der Bewegung nicht an einen bestimmten Ein¬ 
druck, sondern an eine sensorische Reizung überhaupt geknüpft 
denkt, wenn also der Reagent sich etwa sagt: auf einen Eindruck 
soll ich reagiren. Der allgemeinen Vorstellung eines Eindrucks 
aber genügen Reizungen verschiedener Sinnesgebiete. 
Aus dem Bisherigen ergibt sich auch die verschiedene Größe 
der mittleren Variation bei den beiden Reactionsformen. Die zu¬ 
fälligen Schwankungen müssen dort größer sein, wo mehr variable 
Elemente von einiger Selbständigkeit Vorkommen. In der senso¬ 
riellen Reaction tritt zu der die Erwartung bildenden Reizvorstellung 
die die Bewegung einleitende Willensbestimmung, zum mindesten 
das Bewegungsbild. Die mannigfaltigen Schattirungen in der Klar¬ 
heit und Dauer dieser Vorgänge finden in der relativen Größe der 
mittleren Schwankung einen natürlichen Ausdruck. Bei der mus¬ 
culären Reaction dagegen beschränkt sich dieser Wechsel eigentlich 
nur auf die motorische Vorbereitung; der Reiz und die Perception 
desselben sind jedenfalls nur unwesentlichen, d. h. für die Dauer 
des ganzen Vorgangs [unbeträchtlichen Aenderungen unterworfen, 
da ein außerordentlich geringer Anstoß genügt, das mühsam er¬ 
haltene Gleichgewicht der motorischen Disposition und Hemmung 
zu Gunsten der ersteren zu stören. 
Schon mehrfach ist von der Lebhaftigkeit oder Klarheit der
	        
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