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Oswald Külpe.
eine allgemeine psychologische Gesetzmäßigkeit die Thatsachen der
sensoriellen und der musculären Reaction zurückzuführen.
Die wichtigste Eigenschaft der letzteren ist zweifellos ihre Ab¬
hängigkeit von dem vorausgehenden Bewusstseinszustande. Gewiss
ist das organische Gesammtbefinden und die Beschaffenheit des er¬
regenden Reizes in qualitativer, intensiver, räumlicher und zeitlicher
Beziehung nicht bedeutungslos, aber den Unterschied der beiden
Reactionsformen erzeugt recht eigentlich nur das ersterwähnte Mo¬
ment. Und dieses lässt sich in Betreff seiner Intensität und Quali¬
tät gesondert betrachten.
In qualitativer Hinsicht besteht der einer einfachen Reaction
vorausgehende Bewusstseinszustand in der Erwartung, d. h. in der
appercipirten Vorstellung eines mehr oder weniger bestimmten Vor¬
gangs. Je größere Uebereinstimmung zwischen dieser Vorstellung
und dem in die Wahrnehmung eingehenden Reizungs- oder Be¬
wegungsacte herrscht, um so vollständiger wird die Vorbereitung
der Reaction heißen dürfen. Ich drücke diese Uebereinstimmung
dadurch aus, dass ich die in der Erwartung gehegte und die durch
die Wahrnehmung gegebene Vorstellung einander homogen nenne.
Ich habe nicht selten bei meinen Reactionen eine wörtliche Re¬
präsentation des zu erwartenden Ereignisses während der Vorbe¬
reitung stattfinden sehen, wie etwa: jetzt kommt ein Schalleindruck
— oder ein Lichtblitz und ähnliches. Auch ist es mir kaum je ge¬
lungen, zumal bei Schallreizen, die Vorstellung derselben während
der ganzen Dauer der Vorbereitung (1|—2 Secunden), am wenigsten
mit gleichmäßiger Lebhaftigkeit, festzuhalten. Nun ist zwar die
Verbindung zwischen dem bezeichnenden Worte und einer bezeich-
neten Empfindung oder Vorstellung auch eine sehr enge, keineswegs
aber von gleicher Unmittelbarkeit und Festigkeit, wie die Ver¬
schmelzung eines reproducirten und eines wahrgenommenen Ein¬
drucks derselben Qualität.
Die Schnelligkeit des Uebergangs von einem Bewusstseinserleb-
niss zu einem neuen hängt aber theils von begünstigenden Gefühlen,
theils von dem Verhältnis der Verwandtschaft ab, in welchem jene
zu einander stehen. Die Erwartung ist, je länger sie dauert, von
steigenden Unlustgefühlen begleitet, zumal wenn an den Eintritt
des erwarteten Ereignisses die Ausführung von Handlungen