Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Klänge.
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Bedingungen eine stets gleiche sei, ist zur Zeit die vorherrschende
Ansicht. So sagt Wundt1), nachdem er hervorgehoben, dass die
sehr erheblichen Reactionszeitunterschiede bei verschiedenen Geruchs¬
und Geschmacksstoffen in rein physiologischen Bedingungen (Reiz¬
verhältnissen) und nicht in psychophysischen ihren Grund haben:
»Dagegen sind bei den drei Sinnen, bei denen allein die Reactions¬
zeit die zureichende Regelmäßigkeit darbietet, um eine sichere
Untersuchung solcher Einflüsse (nämlich der Qualität) zuzulassen,
keinerlei constante Unterschiede bei qualitativ verschiedenen Reiz¬
einwirkungen beobachtet worden. Jedenfalls sind also diese Unter¬
schiede so klein, dass sie gegenüber den sonstigen Einflüssen nicht
in Betracht kommen.« Es musste bei der principiellen Wichtig¬
keit der Sache von Interesse sein, die Reactionszeit auf Töne oder
Klänge in einem ausgedehnteren Theile der Scala zu untersuchen,
als es bisher geschehen. Denn abgesehen von sonstigen Bedenken
konnte die durch v. Kries und Auerbach angestellte Prüfung
einer kleinen Sexte unter keinen Umständen für die vorliegende
Frage von allgemein verbindlicher Entscheidung sein.
Die sogleich mitzutheilenden Versuche wurden von mir in dem
eben verflossenen Sommersemester angestellt. Es betheiligten sich
an denselben mit anerkennenswerthestem Eifer die Herren stud,
phil. H. von Prott, der bereits im Reagiren vorzüglich geübt
war, und stud, philos. Marbe, welcher in besonderen Versuchen
zu dem Zwecke eingeübt wurde. Auch Herr stud, theol. Hesse
ist mehrfach als Assistent bei den Versuchen thätig gewesen.
Ich gehe zur Versuchsanordnung über. Zuerst erschien es mir
möglich, den Tonreiz durch eine einfache Einrichtung an einem
Pianino in einer für das zu benutzende Hi pp’sehe Chronoskop
geeigneten Weise herzustellen. Nach Fortnahme der vor den Tasten
liegenden Leiste wurde eine mit der elektrischen Leitung in Ver¬
bindung gebrachte und vorn mit einem Stift versehene Feder
(federndes Kupferblechplättchen) in der Weise unter die Taste
geschoben, dass der Stift beim Anschlag der Taste in ein den Strom
schließendes, verstellbares Quecksilbernäpfchen eintauchte. Trotz
1) Wundt, Phys. Psychologie, 3. Aufl., Bd. II, S. 284.
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