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Götz Martius.
Auerbach1) gelangt, aber auf anderm Wege. Von ihnen stammen
die, soviel mir bekannt, bisher einzigen Versuche über die Reactions-
zeit verschieden hoher Töne. Ihre Methode war die graphische
(Kymographiontrommel). Die beiden Reihen von Versuchen, welche
die beiden Forscher mitgetheilt haben, sind von sehr verschiedenem
Werthe. Zuerst benutzten sie Glockentöne, die ungefähr im Quinten-
verhältniss standen. Da aber die Entstehung des Schalles nicht
gleichzeitig mit der die Schreibevorrichtung in Bewegung setzenden
Stromunterbrechung stattfand, auch beim Glockenanschlag ein
Nebengeräusch entstand, sind die erhaltenen Werthe unbrauchbar2).
Anders steht es um die zweite Versuchsreihe. Hier wurden die
auf die Reactions- und Unterscheidungszeit untersuchten Töne
durch Stahlplättchen hervorgebracht, welche von Elektromagneten
festgehalten werden konnten. Im Augenblick des Loslassens der
Plättchen entstand der Ton, und die Schreibvorrichtung notirte zu
gleicher Zeit diesen Augenblick. Die Töne hatten 640 und 400
Schwingungen, standen also im Verhältniss einer kleinen Sexte;
ein dritter Ton lag »ungefähr« zwischen diesen beiden. Zur Ver¬
gleichung wurde jedesmal auch auf das durch einen überspringenden
elektrischen Funken entstehende Geräusch reagirt. Die sich er¬
gebenden Reactionszeiten waren :
Funke höchster Ton mittlerer Ton tiefster Ton
A. 132 142 151 157
K. 129 139 157 158
Aus den Zahlen wird zunächst gefolgert, dass die Reactionszeit mit
wachsender Tonhöhe abnimmt, während sie beim elektrischen Funken
am kleinsten ist. Der Grund wird mitExner darin gesucht, dass
die Fasern des Corti’schen Organs eine gewisse Anzahl von
Schwingungen benöthigen, bis sie »die zur Erregung des Nerven
nöthige Excursion« erlangt haben. Die Bestimmung dieser Zahl
1) v. Kries und Auerbach, Ueber die Zeiten der einfachsten psychischen
Processe. Du Bois-Reymond, Archiv f. Physiologie 1877.
2) C. Stumpf (Tonpsychologie I, S. 215 ff.) hat sie trotzdem herangezogen.
Irrthümlich sind dabei die Hundertstel als Tausendstel angegeben. Auch in der
mit I bezeichneten Reihe der Unterscheidungszeiten auf S. 216 ist das Komma
um eine Stelle nach rechts zu rücken. Die Länge der Unterscheidungszeit der
beiden Glockentöne erklärt sich mit v. Kries und Auerbach unbefangen
aus der Aehnlichkeit derselben in Folge der Obertöne.