Der mathematische Zahlbegriff und seine Entwicklungsformen. 321
Mannigfaltigkeitsbegriff es wird. Von diesem Gesichtspunkt aus kann
man dann ähnlich von solchen Operationen sprechen, welche, auf
zwei Theile einer Mannigfaltigkeit angewandt, wieder einen Theil
derselben geben, und solchen, hei denen dies nicht der Fall ist.
Derartige »gruppentheoretische« Betrachtungen würden also auf die
Unterscheidung von geschlossenen und ungeschlossenen Operationen
führen; doch gehören sie im allgemeinen noch der Zukunft an1).
Im allgemeinen muss diese generelle Uebersicht genügen, um
die folgende Determination verständlich zu machen. Es würde
höchstens noch erforderlich sein, am Schluss hier diejenigen logi¬
schen Postulate kurz zusammenzustellen, welche bei dieser einfach¬
sten Anwendung des Denkschematismus auf den allgemeinsten
Denkinhalt in Frage kommen. Das ist aber sehr schnell gethan.
Denn diese Postulate sind offenbar nichts anderes, als die vier lo¬
gischen Grundgesetze, noch dazu in ihrer reinsten schematischen
Form. Die drei ersten, der Satz von der Identität, dem Wider¬
spruch und dem ausgeschlossenen Dritten beziehen sich auf die
selbständige Mannigfaltigkeit, der Satz vom Grunde hingegen be¬
dingt die Anwendung der Formenlehre auf die letztere. Alle diese
Gesetze kann man natürlich noch entsprechend variiren. So ist
z. B. für die Anwendung der Formenlehre auf die Mannigfaltig¬
keitslehre auch noch die Specialisirung des Identitätssatzes nöthig:
Jede Mannigfaltigkeit wird jeder anderen dann gleich gesetzt, wenn
sie sie in dem fraglichen Gedankenzusammenhang vertreten kann2).
1) Während die vorliegende Arbeit entstand, ist die Frage gerade von dieser
Seite aus erfolgreich und mit ganz neuen allgemeinen Methoden in Angriff ge¬
nommen und erheblich gefördert worden durch die Aufsätze von Schur, »Zur
Theorie der aus Haupteinheiten gebildeten complexen Zahlen«, Mathematische
Annalen XXXHI, Leipzig 1888, S. 49; Study, »Ueber Systeme von complexen
Zahlen«, Göttinger Nachrichten von 1889, S. 237, und »Complexe Zahlen und
Transformationsgruppen«, Berichte der math.-phys. Classe der Königl. sächs. Ge¬
sellschaft der Wissenschaften von 1889, S. 177, und Scheffers, »Zur Theorie
der aus «-Einheiten gebildeten complexen Größen«, a. a. O. S. 290 und »Ueber
die Berechnung von Zahlensystemen«, ebenda, S. 400.
2) Damit ist natürlich nicht, wie viele das wollen, eine Definition der
Gleichheit gegeben, sondern diese Bestimmung ist lediglich einem Kriterium
gleichzuachten, wie ja überhaupt die höchsten logischen Begriffe wegen des
Mangels an Oberbegriffen nicht mehr exact zu definiren, sondern allein aus ihren
Determinationen heraus zu fixiren, d. h. nur durch Kriterien zu bestimmen sind.