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Walter Brix.
bisher noch nie vorgenommen wurde. Beide Formen fallen zu¬
sammen im ersten Typus, unterscheiden sich aber schon merklich
im zweiten und gehen dann weit auseinander im dritten, um end¬
lich im vierten ganz heterogen zu werden. Fügt man diesen we¬
nigen Ueberlegungen noch den selbstverständlichen Satz hinzu, dass
jeder Theil einer Mannigfaltigkeit wieder eine solche gleicher oder
niedrigerer Mächtigkeit ist, so wird man im wesentlichen alles zu¬
sammengefasst haben, was für unsere Zwecke von Nutzen ist und
was, wie man wohl behaupten darf, vorläufig überhaupt über diesen
Gegenstand zu sagen ist.
Sollen vielmehr irgend welche neuen Beziehungen gefunden
werden, so ist dazu die Kenntniss der zweiten Oberdisciplin der
Mathematik nöthig, der allgemeinen Formenlehre. Ihre Aufgabe
ist die Discussion der formalen Eigenschaften aller Beziehungen von
Denkobjecten, die ihr dadurch natürlich in der Form von Mannig¬
faltigkeiten gegeben sind. Ihr Umfang kann daher auch nur ein
geringer sein. Denn über allgemeine Verknüpfungen lässt sich selbst¬
verständlich nicht viel ausmachen. Bestimmt, allein den formalen Al¬
gorithmus des Denkens zu fixiren, wird sie sich vorläufig auf die
Betrachtung des Unterschiedes von thetisch und lytisch, von asso-
ciativen, distributiven und commutativen Eigenschaften beschränken
müssen. Die knappe Darstellung von Hankel1) wird demnach
so ziemlich alles enthalten, was hierüber zu sagen ist.
Die Anwendung dieser Formenlehre auf die Mannigfaltigkeit
als Beziehungssubstrat führt nun zu der eigentlichen Cantor’sehen
Mannigfaltigkeitslehre. Das neue Element der Betrachtung, das hier
hinzukommt, ist die Möglichkeit der begritfliehen Verknüpfung
zweier Mannigfaltigkeiten oder ihrer Abbildung. So kommt man
einerseits dazu, eine Mannigfaltigkeit auf eine andere, andrerseits
aber auch sie auf sich selbst abzubilden, und gewinnt namentlich
den wichtigen Cantor’sehen Satz, dass sich jede Mannigfaltigkeit
beliebig vieler Dimensionen auf eine eindimensionale derselben
Mächtigkeit eindeutig abbilden lässt, andrerseits aber durch die
Selbstabbildung zu der Vorstellung einer Erzeugung der Mannig¬
faltigkeit, welche von nun an die Trägerin der infiniten Form des
1) Complexe Zahlen, S. 18—29, 33.