Volltext: Der mathematische Zahlbegriff und seine Entwicklungsformen, Schluss (6)

262 
Walter Brix. 
An diesem Punkt setzt nun die weitergehende Abstraction ein, 
welche zum allgemeinen Zahlhegriff führt. Der Hauptschritt, den 
sie zu thun hat, besteht in der Elimination des anschaulichen Cha¬ 
rakters, welcher dem absoluten Zahlhegriff noch von seinem psycho¬ 
logischen Ursprung her anhaftete, indem sie nur die neu hinzu¬ 
gekommenen charakteristischen Eigenschaften, d. h. die arithme¬ 
tische Bedeutung, als wesentliche Momente heibehielt. Der allge¬ 
meine Zahlhegriff entsteht aus dem absoluten einfach dadurch, dass 
man von aller Anschaulichkeit, d. h. von aller Möglichkeit, für die 
durch die Zahlbeziehungen geforderten Denkakte concrete Bezie¬ 
hungssubstrate anwenden zu können, ahstrahirt und als Merkmal 
des allgemeinen Zahlhegriffs allein die arithmetischen Eigenschaften 
festhält. Und hier zeigt sich deutlich, wie der absolute Zahlhegriff 
zwischen dem psychologischen und dem allgemeinen in der Mitte 
steht, denn er hat mit jenem die anschaulichen, mit diesem die 
abstracten Bestimmungen gemein. 
Lässt man nun aber das Merkmal der Anschaulichkeit hei den 
Zahlen sowohl, wie hei ihren Operationen ganz fallen, so ergibt 
sich damit auch sofort, dass man dann nicht mehr hei der bisherigen 
Form derselben stehen zu bleiben braucht, sondern jene Erweite¬ 
rungen des Zahlhegriffs durch die Fälle der Unausführbarkeit der 
lytischen Operationen wirklich vornehmen kann, welche früher die 
Forderung der Anschaulichkeit noch verhinderte. Der Umfang der 
auf diesem Wege gewonnenen Formen, für welche die Sprache auch 
noch die Bezeichnung wie den Begriff der Zahl heibehalten hat, 
ist dadurch gegen früher natürlich ein außerordentlich erweiterter. 
Doch ist selbstverständlich andererseits hei jeder derartigen Aus¬ 
dehnung die größte Vorsicht geboten. Denn sobald man die Er¬ 
fahrung verlässt — und diese gibt uns ja zunächst nur absolute 
Zahlen — bewegt man sich auf dem Boden von rein transcendenten 
Speculationen, ') hei denen ein lohnendes Resultat von vom herein 
eigentlich kaum zu erwarten ist. An Warnungen, gutgemeinten 
Rathschlägen, selbst an Drohungen haben es ja auch in dieser 
1) Wir brauchen hier, wie im folgenden, auch wenn wir von transcendenten 
Zahlen sprechen, das Wort transcendent immer in dem philosophischen und nicht 
im mathematischen Sinn, also in der Bedeutung von überempirisch.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.