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Walter Brix.
An diesem Punkt setzt nun die weitergehende Abstraction ein,
welche zum allgemeinen Zahlhegriff führt. Der Hauptschritt, den
sie zu thun hat, besteht in der Elimination des anschaulichen Cha¬
rakters, welcher dem absoluten Zahlhegriff noch von seinem psycho¬
logischen Ursprung her anhaftete, indem sie nur die neu hinzu¬
gekommenen charakteristischen Eigenschaften, d. h. die arithme¬
tische Bedeutung, als wesentliche Momente heibehielt. Der allge¬
meine Zahlhegriff entsteht aus dem absoluten einfach dadurch, dass
man von aller Anschaulichkeit, d. h. von aller Möglichkeit, für die
durch die Zahlbeziehungen geforderten Denkakte concrete Bezie¬
hungssubstrate anwenden zu können, ahstrahirt und als Merkmal
des allgemeinen Zahlhegriffs allein die arithmetischen Eigenschaften
festhält. Und hier zeigt sich deutlich, wie der absolute Zahlhegriff
zwischen dem psychologischen und dem allgemeinen in der Mitte
steht, denn er hat mit jenem die anschaulichen, mit diesem die
abstracten Bestimmungen gemein.
Lässt man nun aber das Merkmal der Anschaulichkeit hei den
Zahlen sowohl, wie hei ihren Operationen ganz fallen, so ergibt
sich damit auch sofort, dass man dann nicht mehr hei der bisherigen
Form derselben stehen zu bleiben braucht, sondern jene Erweite¬
rungen des Zahlhegriffs durch die Fälle der Unausführbarkeit der
lytischen Operationen wirklich vornehmen kann, welche früher die
Forderung der Anschaulichkeit noch verhinderte. Der Umfang der
auf diesem Wege gewonnenen Formen, für welche die Sprache auch
noch die Bezeichnung wie den Begriff der Zahl heibehalten hat,
ist dadurch gegen früher natürlich ein außerordentlich erweiterter.
Doch ist selbstverständlich andererseits hei jeder derartigen Aus¬
dehnung die größte Vorsicht geboten. Denn sobald man die Er¬
fahrung verlässt — und diese gibt uns ja zunächst nur absolute
Zahlen — bewegt man sich auf dem Boden von rein transcendenten
Speculationen, ') hei denen ein lohnendes Resultat von vom herein
eigentlich kaum zu erwarten ist. An Warnungen, gutgemeinten
Rathschlägen, selbst an Drohungen haben es ja auch in dieser
1) Wir brauchen hier, wie im folgenden, auch wenn wir von transcendenten
Zahlen sprechen, das Wort transcendent immer in dem philosophischen und nicht
im mathematischen Sinn, also in der Bedeutung von überempirisch.