Volltext: Ueber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit (6)

172 
Götz Martius. 
inneren Zusammenhänge mit der Annahme der Reflexartigkeit auch 
der verwickelten Bewusstseinserscheinungen. Zwar müssen alle Be¬ 
wusstseinsvorgänge, wenn sie Reflexe sind, psychophysisch bedingt 
sein, ihrem Wesen nach in physiologischen Processen bestehen (es 
wäre dies der vulgäre Materialismus mit seinem inneren Wider¬ 
spruch) ; aber keineswegs muss man sie als nicht durch Gehirn- 
processe bedingt ansehen, falls man ihnen die Eigenschaft der 
Reflexartigkeit bestreitet. Die durchgängige Bedingtheit der psychi¬ 
schen Processe durch physische ist ein heute kaum noch bestrittener 
Satz. Es sind mit ibm die verschiedensten metaphysischen Grund¬ 
anschauungen vereinbar. Ihn anerkennen heißt nicht die psychi¬ 
schen Erscheinungen für unwesentlich erklären; und die Betonung 
der Bedeutung des Psychischen ist nicht gleichbedeutend mit einer 
Bekämpfung des Satzes von der durchgängigen körperlichen Bedingt¬ 
heit des Psychischen. Aber alle diese Dinge mögen hier bei Seite 
bleiben. 
Für die muskuläre Reaction hätten wir also als die allgemeine 
Annahme der bisherigen Autoren über den Gegenstand die Ansicht 
festgestellt, dass sie ein Gehimreflex sei. Ueber ihre Anwendbarkeit 
standen sich die Behauptungen Wundt’s u. Münsterberg’s gegen¬ 
über, indem jener sie auf die einfachen Sinneseindrücke einschränkt, 
dieser sie auch für complicirte Wahlvorgänge für zulässig erklärt. 
Es liegt in der Natur der Sache, dass wir bei einer neuen Unter¬ 
suchung des Gegenstandes zuerst die letzte Behauptung einer Prü¬ 
fung zu unterziehen haben. Denn ehe nicht die Anwendbarkeit 
der muskulären Reaction bei verwickelten psychischen Processen 
nachgeprüft ist, wird jede Untersuchung über ihre eigentliche Natur 
unmöglich sein. 
I. 
Dass es von vornherein keineswegs wahrscheinlich war, dass 
die muskuläre Reaction sich auch bei zusammengesetzten geistigen 
Vorgängen anwenden ließ, ist bereits hervorgehoben; es war dies 
um so unwahrscheinlicher, je mehr man sie als Gehirnreflex aufzu¬ 
fassen geneigt war. Aber auch die Frage musste von vornherein 
unsicher erscheinen, ob die verkürzte Reactionsweise nicht Ver¬ 
suchsvorschriften enthält, die bei verwickelten Wahlhandlungen ihrer
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.