Ueber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit.
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durch die Experimente gefundene Thatsache, alle übrigen stellen
Folgerungen aus dem ersten dar, oder stützen sich doch auf ihn.
Unter den Folgerungen/stimmen die beiden ersten (Satz 2 u. 3) mit
denjenigen Annahmen überein, welche Wundt in Betreff der mus¬
kulären Reaction hei einfachen Sinneseindrücken gemacht hatte.
Man kann also allgemein sagen, dass sich Mg. in der Auffassung
der muskulären Reaction als Hirnreflex direct an W un dt und Lange
anschließt. Das Neue, was er den früher bekannten Thatsachen
hinzufügt, besteht in der Feststellung, dass die muskuläre Reac-
tionsweise sich auf complicirte Wahlvorgänge ausdehnen lässt, was
Wundt bestritten hatte. Er deducirt nach der Theorie Wundt’s,
dass folglich diese complicirten Wahlvorgänge Hirnreflexe sind. Er
hätte ja zunächst auch umgekehrt schließen können, dass der mus¬
kuläre Reactionsvorgang folglich kein Himreflex sein kann, auch
der einfache nicht. Ich glaube, manchem Psychologen hätte dieser
Schluss näher gelegen, und auch Wundt würde so geschlossen
haben, falls die Möglichkeit der Anwendung der muskulären Reac¬
tion in den complicirten Fällen sich als unzweifelhaft sicher fest¬
gestellt erwiesen hätte.
Die beiden letzten aufgestellten Sätze (4 u. 5) und die darin
enthaltenen Folgerungen M g.’s stehen mit unserm Gegenstände nur
in lockerem Zusammenhang. Es sei daher hier nur kurz bemerkt,
dass nach unserer Ansicht die Frage, ob ein Bewusstseins Vorgang
zu einer Gesammtwirkung nöthig ist oder nicht, keineswegs gleich¬
bedeutend ist mit der Frage, ob dieser Vorgang ein activer oder
passiver genannt werden muss. Der Gegensatz des Activen und
Passiven kann einen bestimmten Sinn nur erhalten durch eine
Theorie über active und passive Bestandtheile des Bewusstseins,
wie die Wundt’sehe Theorie der Apperception ist. Es wäre sehr
gut eine Ansicht möglich, welche alle Bewusstseins Vorgänge als
»passiv« ansieht, sie aber doch darum nicht für unnöthig hält, son¬
dern für in demselben Grade nothwendig, als es die bedingenden
physischen Vorgänge sind. Die isolirte Betrachtung der letzteren
beruht allüberall nur auf einer zu dem besonderen Zwecke erlaubten
Abstraction, ebenso wie die isolirte Betrachtung der ersteren.
Ferner steht der Satz, dass alle Bewusstseinsvorgänge ausnahmslos
psychophysisch bedingt sind, keineswegs in einem nothwendigen