Ueber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit. 215
der Versuche sich gestaltet hat, in kurzen Zügen zu wiederholen.
Jede einfachste Bewusstseinsthatsache, welche bei einem mehr oder
weniger complexen Bewusstseinsvorgang in Betracht kommt, heiße
ein psychisches Moment, ein Ausdruck, dessen wir uns bereits öfters
bedient haben. Bedingung für die Annahme des Vorhandenseins
eines psychischen Momentes ist die Unterscheidbarkeit desselben
durch das Bewusstsein. Im Grunde beruht also die Momentfähig¬
keit des Bewusstseins, um der Kürze halber diesen Ausdruck zu
gebrauchen, auf der Empfindungsfähigkeit. Da es sich aber hier
überall um das entwickelte Bewusstsein handelt, möge die Frage
nach dem Verfolg dieser Entwicklung und der Bedeutung von Asso¬
ciation und Apperception bei derselben gänzlich außer Frage bleiben.
Bei der Reaction kommen nun, abgesehen von den physikalischen
Vorgängen und denjenigen physiologischen, die nicht centraler Art
sind (Leitung), die actuelle Beizvorstellung (E), die Bewegungs¬
vorstellung (B) und die Reproductionsvorstellungen (3H und 33), auf
welchen die Zuordnung von Beiz und Bewegung beruht, in Be¬
tracht. B, B, 91 und 33 sind also die den Vorgang bildenden psy¬
chischen Momente. Je complicirter der Reactionsvorgang, um so
zahlreicher sind die jeweiligen psychischen Momente, die mitwirken
können, und zwar wächst die Zahl derselben sehr schnell in das
Vielfache. So besteht z. B. bei zusammengesetzten Reactionen,
wie die oben geschilderten mit zehn Fingern, 91 aus mindestens
zehn einzelnen x (den zehn Zahlen) und 33 aus mindestens zehn
einzelnen b (den zehn Bewegungsvorstellungen für die einzelnen
Finger); jede zugerufene Zahl, wie jede reproductive Zahlvorstellung
(jedes r und r) ist wieder in eine größere Anzahl psychischer Mo¬
mente zerlegbar, insofern neben der Gehörsvorstellung die eng
associirte Gesichtsvorstellung und bei beiden wieder ihre einzelnen
Theile (Buchstaben, Theilklänge) in Betracht gezogen werden müssen;
ebenso besteht jede einzelne BewegungsVorstellung (sowohl b als 6)
aus einer Anzahl von Muskelempfindungen, und auch hier ist die
eng associirte Gesichtsvorstellung hinzuzuzählen. Dass derartige
Psychische Momente zweiten Grades, wie man sie bezeichnen kann,
Qmht übersehen werden dürfen, zeigt sich deutliph bei Verwechse¬
lungen, wenn in Folge des Gleichklanges anstatt auf »eins« auf
»zwei« reagirt wird, oder wenn trotz richtig verstandenen Zurufes
Wundt, Philos. Studien. YI. 15