Ueber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit.
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anderes Moment in die Sache hinein, ^welches darauf hinfiihrte, den
Unterschied mit dem zwischen Reflex und bewusstem Willensvor¬
gang gleich zu setzen. Es ist dies die apperceptive Klarheit des
Eindrucks im einen Falle verglichen mit der relativen Dunkelheit
desselben im anderen. Gehört nicht etwa zu einem wirklichen und
wahrhaft bewussten Vorgang die Apperception wesentlich hinzu?
Es mag eine Unterstellung sein, wenn ich annehme, dass ein der¬
artiger Gedanke hei Lange und seiner Erklärung der muskulären
Reaction mitgesprochen hat. Dann richtet sich diese Entgegnung
nur gegen die Möglichkeit einer solchen Ansicht. Die Selbstbeob¬
achtung wie die wissenschaftliche Erwägung lässt mich keinen
anderen Unterschied zwischen appercipirter und percipirter Vor¬
stellung erkennen, als den der größeren Heiligkeit und längeren „
Dauer der appercipirten Vorstellung. Zwischen der letzteren und j
den percipirten Vorstellungen findet ein ebenso allmählicher Ueber-
gang statt, als zwischen diesen und den reproductiven Vorstellungen.
Alsdann liegt eine diametral entgegengesetzte Ansicht viel näher,
dahin gehend, dass man die Mitwirkung des Bewusstseins auch
dort als nothwendig und vorhanden voraussetzt, wo die einzelnen
psychischen Momente, aus welchen der Vorgang ursprünglich be¬
steht, nicht mehr zur Erscheinung kommen, wie es hei den stark
eingeübten Gewohnheitshandlungen der Fall ist.
Die Aufmerksamkeit ist nun im Falle der muskulären Reaction
in anderem Sinne thätig, als bei der sensoriellen Reaction. Bei
dieser ist sie auf einen erwarteten Sinneseindruck gerichtet; sie
besteht in der reproductiven Vorausnahme desselben und gleich¬
zeitigen Hemmung anderer Vorstellungen. Dort ist sie mit der
Bewegungsintention beschäftigt ; die intendirte Muskelinnervation
ist actuell im Bewusstsein. Selbst also wenn die Bewegung in
Folge einer Verstärkung der Bewegungsintention durch den sen¬
siblen Reiz mechanisch erfolgte, würde der ganze Vorgang immer
noch kein rein xeflexartiger sein. Denn ohne die Richtung der
Aufmerksamkeit auf die Bewegung und ohne den Act des Bewusst¬
seins, in welchem dieselbe besteht, würde die Reaction als Folge
eines sensiblen Reizes nie erfolgen. Somit ist eine gewisse Mit¬
wirkung des Bewusstseins bei der muskulären Reaction selbstver¬
ständlich. Aber auch die Perception des Reizes ist nothwendig.