Volltext: Ueber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit (6)

Ueber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit. 169 
Erörterungen nicht hervor. Schließlich wird, von ihm noch der 
Versuch gemacht, es als wahrscheinlich erscheinen zu lassen, dass — 
das Centrum der Willenserregung für die Reaction in den Seh- 
und Vierhügeln oder in dem Cerebellum zu suchen sei. 
Auch Wundt, unter dessen Einfluss die Lange’sche Studie 
entstand, sieht in seiner neuesten Darstellung (Bd. II, S. 266 ff.) das 
Wesen der muskulären Reactionen extremer Art darin, dass »dieselben 
lediglich durch Einübung entstandene Gehirnreflexe darstellen, bei 
denen die Perception ein den Eintritt des Reflexes begleitender, die 
Apperception sogar ein demselben erst nachfolgender psychischer 
Vorgang ist, so dass die gemessene Zeit mit diesen Vorgängen als 
solchen nichts zu thun hat, sondern ausschließlich eine physiologische 
Bedeutung besitzt«. Hier ist jeder Zweifel über das Verhältniss der 
psychischen zu den physiologischen Vorgängen bei den muskulären 
Reactionen beseitigt. Zu dieser Auffassung ist Wundt bestimmt 
durch die bei den muskulären Reactionen häufiger eintretenden 
Fehlreactionen und vorzeitigen Reactionen. In der Uebung sieht er Tr 
die nothwendige Bedingung für die Entstehung des Gehirnreflexes, j 
Er schränkt in Uebereinstimmung mit diesen Anschauungen vom 
Wesen der muskulären Reaction, ihre Anwendbarkeit auf die ein¬ 
fache Reaction auf Sinneseindrücke ein. 
Eine ungeahnte Anwendung hat der Unterschied der musku¬ 
lären und sensoriellen Reaction durch Münsterberg erfahren. 
In dem ersten Hefte seiner »Beiträge zur experimentellen Psycho¬ 
logie« werden zahlreiche Versuche mitgetheilt, die beweisen sollen, 
dass die verkürzte (muskuläre) Reactionsweise auch »bei complicirten, 
scheinbar den intellectuellen Motiven folgenden Wahlacten, bei 
denen durch die Versuchsbedingungen eine automatische, durch 
Einübung, erworbene Coordination absolut ausgeschlossen ist«1), an¬ 
wendbar sei. Es soll in diesen Fällen »die dem intellectuellen 
Motiv folgende Bewegung auch schon ausgeführt werden, ehe eine 
Willenserregung ins Bewusstsein tritt, ja vielleicht gleichzeitig mit 
der bewussten Erkennung des zugerufenen, als Motiv dienenden 
Wortes«. Mg. glaubt darin einen Beweis sehen zu müssen, »dass 
es eine Grenze zwischen psychophysischen und blos physischen 
1) Munsterberg, Beitr. zur exp. Psychologie Heft I, S. 72. 
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