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lieber die muskuläre Reaction und die Aufmerksamkeit.
Von
Dr. (xötz Martius
in Bonn.
In seiner Arbeit »Neue Experimente über den Vorgang der
einfachen Reaction auf Sinneseindrücke« hat Ludwig Lange
gezeigt, dass die Zeiten der einfachen Reaction länger ausfallen,
wenn die Aufmerksamkeit auf den zu erwartenden Sinnesreiz ge¬
richtet ist, als wenn dieselbe sich der Bewegung oder den Bewe¬
gungsempfindungen zuwendet. In der genannten Arbeit ist dies
zunächst für Schall- und Tasteindrücke bewiesen. Dass dieselbe
Verkürzung unter denselben Bedingungen auch bei Gesichtsempfin¬
dungen eintritt, zeigte sich bei Versuchen, die ich seinerzeit in
Leipzig in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. L. Lange ausgeführt habe.
Die wesentlichen Resultate derselben sind von Wundt in der Phy¬
siologischen Psychologie (3. Aufl. II, S. 265 ff.) veröffentlicht, nach¬
dem Herr Dr. Lange leider in Folge seiner Gesundheitsverhältnisse
der Wissenschaft und der experimentellen Psychologie fern zu bleiben
sich genöthigt sah.
Die vollständige (unverkürzte) Reaction wird von Wundt und
Lange auch sensorielle, die verkürzte dagegen muskuläre ge¬
nannt, Ausdrücke, die in der jeweiligen Richtung der Aufmerksam¬
keit ihre Erklärung finden und auch keine andere Bedeutung bean¬
spruchen, als die, eine Bezeichnung für den angegebenen Unter¬
schied der Richtung der Aufmerksamkeit und dessen Folge zu sein.
Dass der von Lange gefundene Zeitunterschied ein gesetzmäßi¬
ger ist, und dass seine Gesetzmäßigkeit von der Aufmerksamkeit
abhängt, darüber kann ein Zweifel nicht obwalten. Mehrfache
W u n d t, Philos. Studien. VI.
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