Volltext: Der mathematische Zahlbegriff und seine Entwicklungsformen, Fortsetzung (6)

166 Walter Brix. Der mathematische Zahlbegriff und seine Entwicklungsformen. 
schreitende Geist mathematischer Forschung nicht allein hei den 
absoluten Zahlen stehen geblieben ist, sondern sie thatsächlich mit 
ihren Vorzeichen zu neuen, festen Begriffen verschmolzen hat, so 
ist dies wohl weder eine entbehrliche Verallgemeinerung der Zahlen¬ 
lehre, wie Krön ecke r das behaupten zu wollen scheint, noch eine 
gewaltige speculative Verirrung der mystisch werdenden Mathematik, 
wie Dühring das glauben machen will, sondern der Ausdruck 
jenes nie vollendeten, aber tief in der Natur der Sache selbst be¬ 
gründeten logischen Strebens nach immer höheren Abstractionen 
und Generalisationen, deren durchaus exacter Charakter der bisher 
betrachteten Methodik nichts nachgibt, deren Forschungsgebiet 
aber, in’s Unbegrenzte erweitert, ganz neue, nie geahnte Probleme 
dem menschlichen Geist aufgeschlossen hat. 
Man kann eine solche Erweiterung für erkenntnisstheoretisch 
werthlos, für unpraktisch und unbrauchbar, man kann sie mit 
Kronecker für überflüssig, mit Berkeley für eine Spielerei er¬ 
klären — alles das, sobald man allein den subjectiven Standpunkt 
festhält, — aber eine Proclamirung dieser Ansichten als der allge¬ 
meinen oder gar eine wissenschaftliche Vernichtung der reinen 
Mathematik, wie sie Dühring beabsichtigt, wäre wohl ebenso 
unmöglich wie sinnlos. 
Eine logische Untersuchung vollends hat sich vor allen Dingen 
mit den Begriffen zu beschäftigen, welche thatsächlich gebildet sind, 
sie vorurtheilsfrei zu untersuchen und erst dann zu verwerfen, wenn 
sie in sich unmöglich oder bereits anerkannten Begriffen wider¬ 
sprechend befunden werden. Geht man aber wirklich, ohne sich 
den klaren Blick durch Vorurtheile erkenntnisstheoretischer oder 
logischer Natur trüben zu lassen, an die Untersuchung der Frage 
selbst, so muss man nothwendig zu dem Schlüsse gelangen, dass 
weitaus die meisten der noch gebildeten Zahlbegriffe, wenn man 
sie nur richtig versteht, ihrer logischen Natur nach genau so sicher 
und fest bestimmt sind, wie der psychologische Begriff der Anzahl 
oder der erkenntnisstheoretische der absoluten Zahl. Wie diese 
Anschauungen durchgeführt werden können, das werden wir uns 
im nächsten Capitel zu zeigen bemühen. 
(Schluss folgt im nächsten Heft.)
	        
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