Volltext: Der mathematische Zahlbegriff und seine Entwicklungsformen, Fortsetzung (6)

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Walter Brix. 
dem krassesten Nominalismus allmählich wieder in den alten Rea¬ 
lismus zurück, gefolgt von den meisten Mathematikern aus dem 
Anfang des Jahrhunderts. Und dementsprechend finden wir in 
dieser Zeit einen ausgesprochenen Dualismus. Die reine Symbol¬ 
theorie gilt begrifflich als unanfechtbar. Da sie aber doch zu wun¬ 
derbar erschien, und sich namentlich ihre Anwendung auf reelle 
Verhältnisse als eine ganz mystische Beziehung darstellen musste, 
so hielt man sich lieber an die concretere geometrische Anschauung 
und glaubte die eigentliche Schwierigkeit dadurch heben zu können, 
dass man sich nicht um sie kümmerte1). 
Um ein für alle Mal den Standpunkt aller derartigen Darstel¬ 
lungen zu charakterisiren, sei hier noch auf die ziemlich ruhige und 
sachliche Auffassung verwiesen, wie sie sich in Klügel’s Wörter¬ 
buch der Mathematik findet2). Der Anfang des betreffenden Arti¬ 
kels lautet hier: »Unmögliche oder eingebildete oder imaginäre 
Größen nennt man alle solche Ausdrücke, für welche sich keine 
wirkliche Größe als Werth angeben lässt, z. B. arc sin x, arc cos x 
für *>1. Die Werthe solcher Größen, wenn sie den Regeln des 
Algorithmus unterworfen werden, existiren also hlos symbolisch und 
sind nur eingebildet oder imaginär. Dessenungeachtet sind solche 
Größen in der Mathematik von großem Nutzen und werden oft ab¬ 
sichtlich zur Abkürzung der Rechnung eingeführt, wo sie sich aber 
im Laufe der Rechnung wieder aufheben und das Resultat real und 
möglich bleibt. Uebrigens aber rechnet man in der Mathematik 
mit imaginären Größen, wie mit wirklichen.« Hier ist zwar das 
Anklammern an die geometrische Veranschaulichung vermieden; 
aber die beiden Auffassungen, die nominalistische Symbol- und die 
realistische Größentheorie, gehen doch nebeneinander her. Und wenn 
der Lexikograph auch im Sinne der ersten Anschauung die Forde¬ 
rung stellt, dass alles Imaginäre im Resultat wieder verschwinden 
müsse, so hält doch weder die praktische Mathematik, noch er selbst 
diese Regel ein. Denn in den späteren Theilen jenes Artikels wird 
1) Mit überraschender Offenheit ist dies noch eingestanden im Anfang der 
Théorie élémentaire des quantités complexes von Hoüel (Paris 1867), welche in 
Frankreich sehr geschätzt ist. 
2) Mathematisches Wörterbuch von Klügel, Mollweide, Grunert, 
fünfter Theil (Leipzig 1831), Artikel: Unmögliche Größen.
	        
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