Volltext: Der mathematische Zahlbegriff und seine Entwicklungsformen, Fortsetzung (6)

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Walter Brix. 
als wollte Leibniz beide von einander trennen1). Sie umspannt 
bereits das ganze complexe Größengebiet, positive Zahlen wie ne¬ 
gative , gebrochene wie irrationale, zu denen hier sogar, ein Er¬ 
zeugnis des Infinitesimalcalculs, die transcendenten hinzukommen, 
endlich die complexen2); das Operationsfeld ist das gewöhnliche 
der Algebra3), obgleich er es allerdings einmal bei der Auflösung 
des casus irreductibilis der cubischen Gleichungen durch eine neue 
Rechnungsmethode erweitert zu haben glaubt4), welche es gestatte, 
bisweilen Größen, die äußerlich in imaginärer Form erscheinen, 
wie z. B. jene in Wirklichkeit reellen und nur scheinbar complexen 
Wurzeln im casus irreductibilis, in die reelle Form überzuführen. 
Nach alledem muss man es Leibniz in der That nachrühmen, 
dass er, von einer selbständigen, apriori-realen Auffassung des Zahl- 
begrilfs ausgehend, die Arithmetik unabhängig von der Anschauung 
hinstellte und entwickelte. Um so mehr muss es befremden, wenn 
er nun doch wieder, halb und halb in den früheren Realismus 
zurück verfallend, den Werth der so gewonnenen Resultate an ihrer 
praktischen Anwendbarkeit misst, ein Charakterzug, der sich durch 
die ganze, schon erwähnte, grundlegende Abhandlung : Matheseos 
universalis pars prior hindurchzieht. Und hier wird es namentlich 
sehr auffällig, wie er fast vollständig in den Nominalismus über¬ 
lenkt. In concrete Größenverhältnisse übertragbar sind ihm näm¬ 
lich nur die positiven Zahlen, den negativen und imaginären billigt 
1) Vgl. z. B. Initia mathematica. Ebenda p. 29 ff, namentlich p. 31. 
2) Numeri seu Termini simplices Algebraici sunt vel positivi vel privativi, 
integri (iique simplices aut figurati) vel fracti, rationales vel surdi (sc. irrational), 
et impuri (sc. nur scheinbar irrationale, wie Va2 = a) vel affecti (sc. allgemeine 
algebraische Irrationalitäten), sunt etiam numeri communes vel transcendentes et 
denique possibiles vel imaginarii seu impossibiles. 
3) Et generantur per operationes, quae sunt vel syntheticae (additio, multi- 
plicatio, potestatis ex radice excitatio) vel analyticae (subtractio, divisio, extractio 
radicis). Beide Stellen stehen unmittelbar hintereinander auf p. 208 des Bandes VII 
der mathematischen Schriften in der Abhandlung: De ortu, progressu et natura 
algebrae nonnullisque aliorum et propriis circa earn inventis (a. a. O. p. 203 ff). 
4) Et notabile est sextum nos habituros Operationis sive Arithmeticae sive 
Analyticae genus : nam praeter additionem, subtractionem, multiplicationem, divi- 
sionem, radicum extractionem habebitur Reformatio seu Reductio expressionum 
imaginariarum ad reales etc. VII, p. 141.
	        
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