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Oswald Külpe.
und Willensvorgänge. Die Affecte und Triebe, Stimmungen und
Leidenschaften, Absichten und Entschlüsse, Wahlacte und Hand¬
lungen gehören zu dem natürlichen Bestände subjectivirter Erschei¬
nungen. Die Sinneseindrücke und Phantasmen aber, für deren Ein¬
treten' sich das Individuum nicht verantwortlich weiß, deren Kommen
und Gehen ohne sein Zuthun sich abspielen, sie erscheinen zunächst
als das Aufgenöthigte, Objective.
So sehr nun auch die wissenschaftliche Reflexion über diesen
naiven und engen Begriff des Subjectiven hinausgeführt hat, so ist
doch die auch in unseren Versuchen hervorgetretene Tendenz zur
Objectivirung ein Zeichen dafür, daß trotz aller Erkenntniss und
Berichtigung ein nachweisbarer Rest jener Neigung, alles, wobei wir
uns nicht unmittelbar betheiligt wissen, zu objectiviren, selbst in
psychologisch und naturwissenschaftlich geschulten Individuen zurück¬
geblieben ist. Eine überwiegende Tendenz zur Subjectivirung hat sich
bei keiner meiner Vp gezeigt. Sicherlich hat dieser Thatbestand auch
eine biologische Bedeutung. Die Beziehung zur Außenwelt wird
für die psychophysischen Wesen durch die Objectivirung vermittelt.
Dabei ist es von Wichtigkeit, das Objective als Objectives zu erkennen,
zu wissen, ob man es mit Vorgängen, Ereignissen, Reizen außer sich
zu thun hat. Eine falsche Objectivirung ist zweifellos gefahrloser,
unschädlicher, als eine falsche Subjectivirung1). Überhaupt aber ist
es für ein Lebewesen im allgemeinen ungleich bedeutungsvoller, zumal
im Gebiet der Empfindung, zu objectiviren als zu subjectiviren. So
ist es auch zu verstehen, dass bei einer Mischung von objectiven und
subjectiven Bestandtheilen das Ganze schlechthin objectivirt zu werden
pflegt.
Diese Vermengung, die wir sowohl bei den optischen, wie bei den
Hautsinnexperimenten festgestellt haben, bildet nun auch die Brücke,
welche unsere Beobachtungen mit den normalen Erlebnissen ver¬
bindet. Man könnte versucht sein, wie das so oft experimentell¬
psychologischen Arbeiten gegenüber geschehen ist, unsere Ergebnisse
als künstlich gewonnene, mit der normalen Erfahrung gar nicht zu¬
sammenhängende und daher für diese in keiner Weise verbindliche
1) Man wird hier natürlich nicht Luftspiegelungen, Irrlichter u. dgl. entgegen¬
halten dürfen.