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E. König.
jeweilig gegebenen Weltlage die nächstfolgende mit Nothwendigkeit
hervorgeht, so stellt sich der Weltprocess als eine in sich eindeutig
bestimmte Reihe von Veränderungen dar, die vom Denken ebenso
gut in der einen wie in der anderen Richtung durchlaufen werden,
d. h. in der man sich mit gleich gutem Rechte das Spätere durch das
Frühere wie das Frühere durch das Spätere bestimmt denken kann.
»Der folgerichtig gedachte Causalbegriff fordert also den Zweckbegriff
als seine Ergänzung«, ein Geist, der den Weltlauf zu überschauen ver¬
möchte, würde »alles gleichzeitig unter dem Gesichtspunkte des Zweckes
und der Causalität erblicken«J). Die Coordination von Causalität
und Finalität gelingt indess hier nur dadurch, dass beide Begriffe unter
Abstraction von der Zeit auf das Schema der logischen Determination
zurückgeführt werden. Nun ist aber erstens die Annahme, dass die
Totalität des Seins und Geschehens als ein System von Gründen und
Folgen gedacht werden könne, die nach zeitloser logischer Noth¬
wendigkeit untereinander verknüpft sind, keineswegs selbstverständlich ;
ferner wäre die Abhängigkeit der Glieder eines solchen Systems von
einander nicht sowohl eine gleichzeitig causale und finale, sondern
im Wesen weder das eine noch das andere, denn wenn von der
Zeitlichkeit abstrahirt wird, so kann weder von Causalität noch von
Finalilät, sondern nur noch von logischer Abhängigkeit gesprochen
werden.
Das Gegenstück zu dieser Deduction des Zweckbegriffes aus den
Voraussetzungen einer rein rationalistischen Ontologie bildet der neuer¬
dings gemachte Versuch, vom Standpunkte des empiristischen Phäno¬
menalismus aus seine Gleichberechtigung mit dem Causalbegriff zu
erweisen. Die Vertreter des bezeichneten Standpunktes wollen be¬
kanntlich Kategorien in der Bedeutung von Denkformen, die, ohne
aus der Erfahrung geschöpft zu sein, doch objective Geltung haben,
überhaupt nicht zulassen, und betrachten vielmehr alle Begriffe ohne
Ausnahme als mehr oder weniger conventioneile Symbole, deren Zu¬
lässigkeit oder Unzulässigkeit allein vom Gesichtspunkte der praktischen
Brauchbarkeit zu beurtheilen ist. Es sei also auch gegen die An¬
wendung des Zweckbegriffs nichts einzuwenden, falls er sich zur
Zusammenfassung von Erfahrungsthatsachen geeignet erweist. Man
1) Wundt, Logik, I, S. 651. v. Hartmann, Kategorienlehre, S. 472.