Ueber Naturzwecke.
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Beactionsweisen in zweckbewusste Willensthätigkeiten und den um¬
gekehrten Vorgang der Mechanisirung ursprünglich mit Bewusstsein
vollzogener Willenshandlungen begreiflich, insofern es sich in beiden
Fällen jetzt nicht mehr um die Verwandlung eines nur causalen Ge¬
schehens in ein finales und umgekehrt, sondern nur um den Eintritt
bezw. Austritt eines Zweckzusammenhanges in das individuelle Be¬
wusstsein handelt. Die Heterogonie der Zwecke endlich und die
Entstehung höherer Willenseinheiten erklärt sich aus der Einheitlich¬
keit des Gesammtwillens, von dem alle Individualwillen abhängig
sind.
Ob die universelle Willensthätigkeit als eine bewusste oder als
unbewusste zu denken sei, bleibe dahingestellt; jedenfalls unterscheidet
sie sich von der empirisch allein gegebenen individuellen auch sonst
durch sehr wesentliche Merkmale. Während die letztere, um nur
einen Unterschied hervorzuheben, den Oausalnexus voraussetzt, muss
jene umgekehrt als metaphysisches Prius der Causalität gedacht
werden. Denn da Finalität und Causalität nicht neben einander
bestehen können, wie in den früheren Abschnitten unserer Arbeit zu
zeigen versucht wurde, und da die Finalität sich unmöglich auf
Causalität zurückführen lässt, wie wir in diesem letzten Abschnitt
sahen, so bleibt nur übrig, diese auf jene zurückzuführen, d. h. den
Verlauf des Geschehens als eine Beihenfolge von Zweckacten zu
betrachten, die sich empirisch (in der objectiv-realen Erscheinungs¬
welt) als gesetzmäßige Aufeinanderfolge einzelner Ursachen und Wir¬
kungen darstellt. Diese Zweckacte aber können nur als unmittelbare,
d. h. so gedacht werden, dass in jedem Moment die maßgebende
Zweckvorstellung mit dem realisirten Zweck in Eins zusammenfällt.
Wenn sonach die Thatsache des zweckbewussten individuellen
Wollens uns dazu nöthigt, »das kosmische Geschehen selbst als eine
Entwicklung im wahren Sinne des Wortes«, d. h. als »einen Verlauf
unter einander verbundener Ereignisse, durch die objective Zwecke in
gesetzmäßiger Beihenfolge zur Erfüllung gelangen«J), zu betrachten, so
ist doch damit, wie kaum nochmals hervorgehoben zu werden braucht,
der Gebrauch des Zweckbegriffes außer für die Psychologie und die
darauf sich gründenden Geisteswissenschaften nur für die Metaphysik,
1) Wundt, System, S. 501.