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E. König.
Einsicht aus, dass im Rahmen der bestehenden Naturordnung, die auch
den Körper des Menschen mit umfasst, Eingriffe einer zweckthätigen
Intelligenz undenkbar sind, wie aber die damit sich ergebende Anti¬
nomie zwischen Naturcausalität und zweckhewusster Willensthätigkeit
zu lösen sei, bleibt noch unbestimmt. .
Lassen wir die spinozistische Ansicht, nach der Physisches und
Psychisches die zwei Attribute oder Erscheinungsformen eines un¬
bekannten Dritten bilden, hier hei Seite, da sie nur die Gleich¬
berechtigung der physikalisch-physiologischen und der psychologischen
Erklärungsweise proclamirt, aber die Vereinbarkeit beider thatsächlich
nicht begreiflich macht, so bieten sich als entgegengesetzte Lösungs¬
versuche der psychophysische Materialismus und der individualistische
Voluntarismus dar. Der Materialismus sucht aus dem Widerstreit
dadurch herauszukommen, dass er die Realität des Begriffes der
Zweckbestimmung überhaupt bestreitet und auch für die menschliche
Willensthätigkeit die physiologische Erklärung aus wirkenden Ur¬
sachen allein gelten lässt. Er stützt sich dabei auf die vergleichende
Betrachtung der verschiedenen Stufen der Willensbethätigung, welche
einen stetigen Uebergang von den einfachsten mechanisch ablaufen¬
den Reflexen bis zu den auf Ueberlegung gegründeten Wahlhandlungen
erkennen lassen, und folgert hieraus, dass auch die letzteren nichts
weiter seien als zusammengesetzte Reflexvorgänge, die sich von den
einfachen nur durch die größere Zahl der zwischen Reiz und Reaction
eingeschalteten Zwischenglieder unterscheiden. Die psychischen Zu¬
stände des Vorstellens, Sichentschließens u. s. w., die für die Willens-
thätigkeiten im engeren Sinne charakteristisch sind, sind nach dieser
Auffassung lediglich Symptome der verwickelten, centralen Reizüber¬
tragungen, Hemmungen und Auslösungen, welche der motorischen
Innervation vorausgehen, haben aber keinen directen Einfluss auf
den Verlauf des ganzen Vorgangs. Es bleibt auf diesem Standpunkte
nur räthselhaft, warum die complicirten Reflexe nicht ebenso un¬
bewusst verlaufen wie die einfachen, und wodurch der trügerische
Schein veranlasst wird, dass der vorgestellte Zweck die Handlung
bestimme. In Wahrheit könnte man aus den Thatsachen mit gleichem
Rechte den umgekehrten Schluss ziehen, dass schon die einfachsten
Reactionen der Lebewesen auf Zwecke gerichtete und durch Zwecke
bestimmte Willenshandlungen darstellen; denn überall, wo eine gene-