Ueber Naturzwecke.
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»inneren« (psychischen) Zustände des Individuums, die als solche
nicht zum Inhalte der äußeren Erfahrung, nicht zur Natur im engeren
(eigentlichen) Wortsinne gehören, dennoch einen bestimmenden Ein¬
fluss auf die körperlichen Vorgänge und weiter auch auf die Um¬
gebung ausijben würden, so wären die durch sie veranlassten physi¬
schen Veränderungen Wunder im gleichen Sinne, in welchem die
Eingriffe eines transcendenten Willens in das Naturgeschehen es
sind. Mit jeder einzelnen Willenshandlung würde der stetige Zu¬
sammenhang der physischen Vorgänge untereinander unterbrochen
und in schöpferischer Weise der Anfang einer neuen Oausalreihe
gesetzt. Die conséquente Anwendung der allgemeinsten Grundsätze
physischer Causalerklärung zwingt uns also zu dem Schlüsse, dass
die Willenshandlungen ebenso wie alle anderen Lebensvorgänge am
Organismus naturgesetzliche Folgen eines rein physischen Ursachen-
complexes sind, dessen Componenten wir allerdings in diesem Falle
der überwiegenden Zahl nach im Organismus selbst zu suchen haben.
Die psychische Seite des Willensvorganges würden wir demnach als
eine selbständige Begleiterscheinung des physiologischen Processes zu
betrachten haben, die für den Verlauf desselben ganz bedeutungslos
ist, freilich auch ihrerseits von ihm nicht beeinflusst wird.
Man hat dieser »Automatentheorie« nicht mit Unrecht den Vor¬
wurf gemacht, dass sie den Gedanken der Wirksamkeit des Geistigen
in der Welt zu einer wahrheitslosen Illusion herabsetze und dadurch
die Möglichkeit eines Verständnisses des menschlichen Culturlebens
auf hebe. Derartige indirecte Erwägungen können aber doch die
directen Gründe, auf die jene Theorie sich stützt, nicht erschüttern;
man kann aus ihnen nur folgern, dass die Annahme eines bloßen
Parallelismus der physischen und psychischen Vorgänge keine end¬
gültige Lösung--:des Willensproblems darstellt, nicht aber, dass sie
falsch und durch die Annahme einer psychophysischen Causalität zu
ersetzen ist. In der That spricht sich in ihr zunächst nur die
der organischen Zweckmäßigkeit und des psychophysischen Problems der intelli¬
genten Willensthätigkeit sehr energisch betont, nur dass er umgekehrt aus der
Thatsächlichkeit der letzteren auf die Zulässigkeit der Hypothese einer organischen
Zweckthätigkeit schließt. Dieser Schluß ruht aber m. E. auf der irrigen Voraus¬
setzung, dass die Intelligenz zu den objectiv constatirbaren Funktionen des Or¬
ganismus gehört (Einleitung u. s. w. S. 37).