Volltext: Ueber Naturzwecke (19)

Ueber Naturzwecke. 
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voraussetzt. Denkt man sich den Stand unserer gesammten Natur- 
erkenntniss auf die gleiche Höhe gebracht, so würden wir die jeweilige 
Weltlage als nothwendige Folge der vorhergehenden verstehen, aber 
die Anfangslage bliebe als ein causal zufälliges Factum übrig. Von 
dieser hängt aber der Verlauf der Vorgänge in dem Ganzen sehr 
wesentlich mit ah; bei anderer Anfangslage würden z. B. die Bahnen 
der Planeten statt Ellipsen Parabeln oder Hyperbeln geworden sein. 
Ist es nun nicht eigentümlich, dass unter der unendlichen Zahl mög¬ 
licher Anfangslagen eine zur Wirklichkeit geworden ist, die dem 
System eine gewisse Stabilität sicherte ? Ist es nicht ebenso wunderbar, 
dass vermöge der ursprünglichen Anordnung der Stoffe und Kräfte 
die Bedingungen für die Entstehung und Weiterentwicklung des 
Lehens auf der Erde sich realisirten? Fast unabweisbar drängt sich 
hier der Gedanke einer Zweckbestimmung auf, durch die dem Wirken 
der Naturkräfte eine bestimmte Richtung gegeben wurde. 
In der That hat Driesch in früheren Schriften die Teleologie 
auf derartige Erwägungen zu gründen gesucht, indem er hervorheht, 
dass »schon das allereinfachste Geordnete und in diesem Sinne 
Formale causaler Erkenntniss nicht zugänglich ist« und »teleologisch 
beurtheilt werden muss«*). Kräfte und Stoffe seien das Areal der 
causalen, Formen das der teleologischen Betrachtung. Oh freilich 
diese letztere schon hei den organischen Formen einzusetzen hat, wie 
er will, ist damit noch nicht erwiesen; sollte aber auch das Problem 
der Urzeugung jemals einmal gelöst werden, so würde doch dadurch 
der Anknüpfungspunkt für die Teleologie nur weiter zurückgeschohen; 
Object der Zweckerklärung wäre dann die ursprüngliche Verfassung 
des Universums, von der alles causale Erklären ausgehen muss, die 
biologische Teleologie würde sich zur kosmologischen erweitern. Wir 
kämen damit auf den bekannten Standpunkt von Leibniz, der er¬ 
klärt, dass alles in der Welt nach Gesetzen mechanischer Oausalität 
determinirt ist, dass aber diese Gesetze seihst nur aus dem Gesichts¬ 
punkte des Zweckes zu begreifen sind, eine Ansicht, die unter den 
neueren Philosophen E. v. Hartmann noch genauer formulirt und 
eingehender begründet hat1 2). Ehen wegen ihres universellen Charak¬ 
ters ist aber eine derartige Teleologie nicht mehr eine physische, 
1) Analytische Theorie der organischen Entwicklung, S. 166. 
2) Vgl. Kategorienlehre, S. 470 ff. 
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