Volltext: Ueber Naturzwecke (19)

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E. König. 
keit des Princips der zufälligen, d. h. richtungslosen Variation betrifft, 
immerhin berechtigt sein, aber es folgt doch daraus noch nicht, dass 
bei der Entstehung der Abänderungen eine nach Zwecken wirkende 
Ursache im Spiele gewesen sein müsse, da ja das Zustandekommen 
bestimmt gerichteter einseitiger Variationen auch unter der ausschlie߬ 
lichen Wirkung blinder Ursachen, z. B. auf dem Wege der » directen 
Anpassung«, sehr wohl denkbar ist. Die zweite Bemerkung ist 
zweifellos richtig, aber sie beweist nur, was eigentlich von Niemand 
bestritten wird, dass die ersten zweckmäßigen, d. h. lebensfähigen 
Formen nicht auf dem Wege der Selection entstanden sein können; 
es folgt daraus nicht, dass sie Erzeugnisse einer zweckthätigen In¬ 
telligenz seien. Die Polemik gegen den Darwinismus verfehlt also 
ihr Ziel durchaus, sofern sie zugleich die Wirksamkeit von Zwecken 
bei dem Ursprung und der Weiterentwicklung der Lehewelt be¬ 
weisen will. 
Im Grunde verfügen die Teleologen nur über ein einziges leidlich 
annehmbares Argument für ihre Hypothese, das ist der schon mehr¬ 
mals angeführte Gedanke, dass die »zufällige« Entstehung eines 
lebensfähigen Gebildes gerade so unwahrscheinlich sei, wie die Ent¬ 
stehung eines mechanischen Kunstwerkes durch das Zusammenwirken 
blinder Naturkräftel). Dieser Einwand verliert indess viel von seiner 
überredenden Kraft, wenn man bedenkt, dass auch eine fertig vor 
uns stehende Maschine das Resultat einer großen Menge einzeln nach 
einander und zum Theil zufällig gefundener Verbesserungen darstellt2). 
Dass einer der höheren Organismen jemals durch Urzeugung ent¬ 
standen sein könnte, ist gewiss äußerst unwahrscheinlich, dass da¬ 
gegen irgendwann und irgendwo einmal durch Zusammentreffen geeig¬ 
neter Bedingungen ein einfaches erhaltungs- und fortpflanzungsfähiges 
materielles System, ein Urorganismus, seinen Ursprung genommen habe, 
ist ganz gut denkbar; war ein solches aber einmal da, so war es, un¬ 
gleich den Zufallsproducten der (anorganischen) Natur, die ebenso 
wie sie entstehen auch wieder verschwinden, durch die ihm immanente 
Fähigkeit, störende Einflüsse auszugleichen, vor dem Untergange ge¬ 
schützt und seine Fortdauer bezw. Weiterentwicklung nicht bloß 
möglich, sondern nothwendig. 
1) Vgl. Liebmann, a. a. O., S. 170. 
2) Vgl. Bütschli, Mechanismus und Vitalismus. Leipzig 1901, S. 24 ff.
	        
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