Volltext: Ueber Naturzwecke (19)

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E. König. 
folgerichtige Fassung hat ihm E. v. Hartmann gegeben, indem er 
den allgemeinen Satz auf stellt, dass in allen Individuen höherer Ord¬ 
nung zu den »gesetzmäßigen Actionen der umspannten Individuen 
niederer Ordnung« noch eine »höhere Gesetzmäßigkeit« hinzutritt1). 
Die unorganischen Körper sind nach dieser Ansicht bloße Aggregate 
niederer Individuen (der materiellen Elemente), deshalb gilt für sie 
das oben formulirte Princip der Addition der Wirkungen ohne jede 
Einschränkung; die Organismen dagegen sind Individuen höherer Ord¬ 
nung, der Organismus als Ganzes ist mehr als die Summe seiner 
Theile, und dies zeigt sich eben darin, das an ihm neben den physi¬ 
kalisch-chemischen Elementarkräften noch höhere, nicht von bestimm¬ 
ten Raumpunkten ausgehende dynamische Functionen in die Erschei¬ 
nung treten und in Verbindung mit jenen die Umwandlung der 
Energien regeln. Die ganze Streitfrage wird hier auf die metaphysi¬ 
sche Frage zurückgeführt, ob allein die Bestandtheile der Materie 
als reale Einheiten (Individuen) anzusehen sind, oder ob es daneben 
noch Wesenheiten gibt, die sich zwar in der Erscheinung als Com¬ 
plexe materieller Elemente darstellen, aber deswegen doch ebenso 
ursprüngliche reale Einheiten bilden wie jene. Wer aus irgend welchen 
Gründen die letztere Ueberzeugung hegt, der muss folgerichtigerweise 
die mit ihr unvereinbare mechanistische Naturauffassung grundsätzlich 
bekämpfen. Daher war z. B. Schopenhauer trotz seiner umfassen¬ 
den naturwissenschaftlichen Bildung und seines Strebens, die philo¬ 
sophische Speculation durchweg an die Ergebnisse der naturwissen¬ 
schaftlichen Erfahrung anzuknüpfen, ein grundsätzlicher Gegner der 
mechanistischen Biologie2), und ihm hat sich v. Hartmann rückhalt¬ 
los angeschlossen.3) Lassen wir aber alle metaphysischen Erwägungen 
1) Kategorienlehre, S. 465. 
2) Vgl. Welt als Wille und Vorstellung. Leipzig 1859, S. 173: Der gegebenen 
Ansicht gemäß wird man zwar im Organismus die Spuren chemischer und physischer 
Wirkungsarten nachweisen, aber nie ihn aus diesen erklären können, weil er keines¬ 
wegs ein durch das vereinigte Wirken solcher Kräfte, also zufällig hervorgebrachtes 
Phänomen ist, sondern eine höhere Idee, welche sich jene niederen durch 
überwältigende Assimilation unterworfen hat. Ebenso in »Wille in der Natur«, 
S. 33 43. 
31 In ähnlichem Sinne stellt auch Driesch in seiner neuesten Schrift (die 
organischen Regulationen, Leipz.1901, S. 211) der extensiven Mannigfaltigkeit 
der in einem System gegebenen materiellen Bedingungen die »intensivere Mannig¬ 
faltigkeit« der »Entelechie« als mitbestimmenden Factor an die Seite.
	        
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