Volltext: Ueber Naturzwecke (19)

436 • E. König. 
Kraftersparniss und damit auch in dem der Daseinsförderung. Das 
ist das Factum, und dies Factum erfordert allerdings auch eine Er¬ 
klärung, aber damit ist durchaus noch nicht die Nöthigung gegeben, 
eine berechnende Intelligenz als Ursache vorauszusetzen. Wenn trotz¬ 
dem das natürliche Denken zu dieser Annahme in erster Linie hin¬ 
neigt, so ist dabei der Vergleich der Organe mit künstlich von uns 
construirten Werkzeugen maßgebend, bei deren Herstellung ebenfalls 
auf möglichste Kraftersparniss gesehen wird; dass indess diese Ana¬ 
logie nicht ohne weiteres auch auf die Entstehungsbedingungen aus¬ 
gedehnt werden darf, geht schon daraus hervor, dass die Natur hei 
der Erzeugung der organischen Gebilde in ganz anderer Weise und 
mit ganz anderen Mitteln arbeitet als die menschliche Technik. 
Nach der Meinung vieler Teleologen soll nun freilich gerade in 
den Vorgängen der embryonalen Entwicklung, aus denen der fertige 
Organismus resultirt, die Realität von Naturzwecken mit besonderer 
Evidenz zu Tage treten. Eine große Zahl einzelner, an verschiedenen 
Punkten und zu verschiedenen Zeiten eintretender Veränderungen 
greifen hier so in einander, dass am Schluss das Individuum in seiner- 
typischen Form herauskommt; gelegentliche Missbildungen »vermin¬ 
dern nicht, sondern erhöhen unser Erstaunen über die Zweckthätig- 
keit und Zielstrebigkeit der Natur«, denn »ganz offenbar arbeitet 
auch hier alles auf ein bestimmtes Ziel hin, nur leider wird dies 
Ziel nicht vollständig erreicht«1). Sieht man näher zu, in welcher 
besonderen Eigenthümlichkeit des ontogenetischen Geschehens die 
Vorstellung eines leitenden Zweckes ihren Grund hat, so kann dies 
offenbar nur der Umstand sein, dass wir in so und so vielen Einzel¬ 
fällen denselben Process mit demselben typischen Resultat ablaufen 
sehen. Hätten wir nur ein einziges Mal Gelegenheit gehabt, die 
Entwicklung eines organischen Keimes zu verfolgen, so würden wir 
nicht auf den Gedanken gekommen sein, dass der ganze Vorgang 
einem Ziele zustrebe, denn auch der Begriff der Harmonie oder des 
Zusammenstimmens der einzelnen Theilprocesse, auf den Driesch 
ein besonderes Gewicht legt (a. a. O., S. 87), gewinnt erst einen Sinn 
1) Liebmann, a. a. 0., S. 155. Driesch, Analytische Theorie der organi¬ 
schen Entwicklung, S. 129. v. Bär, Studien aus dem Gebiet der Naturwissen¬ 
schaften (Petersburg 1876), S. 82.
	        
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