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A. Kirschmann.
Da ist des weiteren die Annahme von Begriffen, die, weil mit
inneren Widersprüchen behaftet, anfangs nur als später wieder zu
eliminirende Hülfgijegriffe eingeführt werden, die sich aber durch den
häufigen Gebrauch so einbürgem, dass sie zuletzt für mathematische
Entitäten gelten. Hierher gehören die weiter oben schon erwähnten
»benachbarten Punkte«, das » Linienelement«, das keine Ausdehnung
haben, aber doch eine Richtung repräsentiren soll, das Krümmungs¬
maß von mehr als zweidimensionalen Raumgebilden u. a. m. Solche
Hülfsbegriffe erweisen sich oft als sehr nützlich, so lange man bei
ihrer Verwendung eingedenk bleibt, dass sie zwar abgekürzte, aber
unrichtige Ausdrücke; für sehr complicirte Verhältnisse sind, deren
jeweilige getreue Darstellung einen großen Aufwand von Zeit und
Mühe erfordern würde. Sie dürfen daher auch nicht schon als Ele¬
mente in den Voraussetzungen figuriren, von welchen man ausgeht.
Und ebenso müssen sie aus den Endresultaten, wenn anders denselben
eine Bedeutung zukommen soll, wieder verschwunden sein. In einei
Regeldetri-Aufgabe mögen wir wohl ganz correcter Weise rechnen:
Der Vorrath Heu, der 1 Woche ausreicht für 7 Pferde, reicht
5 Wochen für | Pferde u. s. w. Aber wir dürfen keine Rechnung
mit einem Satze beginnen oder schließen, der diese l Pferde enthält.
Das ist es auch, was Whitehead meint, wenn er das Symbol ( 1)J
für absolut sinnlos erklärt, wenn man es als Zahl ansehe1).
Auch die negativen^Zahlen gehören hierher, sobald man bei ihrer
Verwendung vergisst, dass sie nur eine relative Bedeutung haben.
Es gibt nichts Negatives in der Welt der Wirklichkeit. Wo wir die
Begriffe Positiv und Negativ auf Paare conträrer Qualitäten anwenden,
wie hei der Elektricität, der Enantiomorphie, der Photographie u. s. w.,
da ist diese Anwendung eine rein conventionelle und willkürliche.
Die Begriffe könnten eben so gut umgekehrt gebraucht oder durch
andere wie rechts und links, Nord und Süd oder dergl. ersetzt werden.
Auch wo sie auf Quantitatives angewandt werden, wie etwa auf
Richtungen im Raume, oder bei der Messung der Temperatur, könnten
sie nicht allein eben so gut vertauscht werden, sondern es ist hier
stets auch der Nullpunkt, der Trennungspunkt der als Antagonisten
gesetzten Größen vollständig willkürlich und conventioneil. Die Null
1) Whitehead, Treatise on Universal Algebra, p. 11.