33g A. Kirschmann.
diese Theorie vorerst nicht mehr Werth als die Versicherung, dass
man mit dem Stein der Weisen Kupfer in Gold verwandeln könne.
Ueberdies sind ja Gegenstände wie rechte und linke Handschuhe,
rechtsdrehende und linksdrehende Schrauben nur annähernd con¬
gruent. Auch kann man schließlich eine rechte Schraube ein-
schmelzen und eine linke daraus gießen. Also die bloße geometrische
Möglichkeit der Körper von symmetrischer Congruenz und selbst
das Vorkommen wirklicher Gegenstände von solchen Formen sollte
an und für sich noch keine Veranlassung zur Annahme einer vierten
Dimension bilden. Ganz anders aber, wenn wir uns einer That-
sache gegenüber befinden, die uns vor die Alternative stellt, ent¬
weder eine derartige Annahme machen oder zugestehen zu müssen,
dass die unser Erkennen der Natur und ihrer Gesetze ausmachende
wissenschaftliche Verknüpfung der Thatsachen, die doch dem Ideal
der Widerspruchslosigkeit zustreben soll, eine unüberbrückbare Lücke
aufweist. Vor einer solchen Thatsache aber stehen wir, wenn wir in
der Natur Körper vorfinden, die nicht bloß in ihrer äußeren Gestalt
jene symmetrisch congruenten, nicht in einander überführbaren Formen
aufweisen, sondern die auch innerlich in ihrer molecularen Structur,
wie sich dies hauptsächlich durch ihr optisches und chenjisclies Ver¬
halten offenbart, dieselbe grundlegende Verschiedenheit zeigen. Solche
Körper liegen vor in den enantiomorphen Krystallen.
Die Enantiomorphie ist nichts anderes als die weiter oben erörterte
Unüberführbarkeit symmetrisch congruenter räumlicher Gestalten.
Bei Substanzen, die in einem Krystallsystem von mehr oder minder
großer Symmetrie krystallisiren, kommt es vor, dass von allen mög¬
lichen Flächen einer Form nur die Hälfte oder ein Viertel aus¬
gebildet sind. Man spricht daher-von Hemiedrie und Tetartoedrie.
Wenn von einem Paare hemiedrischer oder tetartoedrischer Krystalle
jedes einzelne keine Symmetrieebene mehr besitzt, obgleich es dem
anderen symmetrisch congruent ist, dann sind die beiden Krystalle
enantiomorph. In solchem Falle spricht man von enantiomorpher
Hemiedrie und Tetartoedrie.
Im regulären System liefert z. B. die plagiedrische Hemiedrie und die
aus der Combination von plagiedrischer und dodekaedrischer Hemiedrie
hervorgehende Tetartoedrie enantiomorphe Gebilde. Im hexagonalen
System ist die trapezoedrische Tetartoedrie, in welcher Quarz, Zinn-